Hühnerherz  Der ununterbrochene Geschützdonner, der aus dem Norden, von Bapaume herübertönte, war wie der Atem des nächtlichen Ozeans; sein Auf und Ab, sein Crescendo und sein Decrescendo, ließen an ein kosmisches Ballett denken, das am Himmel nicht zu sehen war, sich aber dem Trommelfell wie ein Regen von tönenden Sternbildern einprägte. Man wurde davon betäubt. Dann begann ich, an das Hühnerherz zu denken, das seit vielen, vielen Jahren in seinem Kristallbecken im siebenunddreißigsten Stockwerk des New Yorker Rockefeller-Instituts zur Förderung der Wissenschaften pulsiert, und ich zählte, wie man die Sekunden zwischen dem Abfeuern der Bombe und ihrem Einschlag zählt, die Pulsschläge dieses «nackten» Herzens, das ein Dr. Carrel bloßgelegt hat und am Leben erhält, indem er es jeden Morgen mit einem künstlichen Serum aus seinem Laboratorium begießt. (Ich höre soeben, daß dieses Herz stehengeblieben ist - oder sollte man sagen, daß es starb? -, weil der Laborant, der den Doktor über das Wochenende vertrat, es am Montag morgen zu begießen vergaß, wie die amerikanischen Zeitungen berichten. Sie versäumten jedoch hinzuzufügen, daß es in diesem Becken über dreißig Jahre lang geschlagen hat, also sechsmal länger, als es normalerweise in der Brust eines lebenden Hahns oder einer lebenden Henne funktioniert hätte. War dieses Hetz übrigens männlich oder weiblich? Für die Beantwortung dieser Frage wird eine gute Belohnung zugesichert.)     - Blaise Cendrars, Sternbild Eiffelturm. Zürich 1982 (zuerst 1949)
 
 

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