ügel   Die andere Welt wird nicht immer nur fern am Ende des bewohnbaren Landes lokalisiert, sondern gelegentlich unter der Oberfläche von bestimmten Hügeln. Auch hier gibt es eine ausgedehnte Ebene, auf der Pferde dahinjagen, Viehherden weiden oder Turnierspiele ehemaliger Krieger stattfinden; wundersame Obstgärten, in denen zu jeder Jahreszeit Äpfel reifen; ein Land voll himmlischer Musik, ewig, heiteres Wetter, Reichtum und Schönheit, feenhafte Frauen, göttliche Getränke. Diese Welt ist gewissermaßen nebenan zu den Füßen der Menschen, in der Welt der Seelenhügel und damit jenseits freilich der Welt des Sichtbaren. Wer nicht die nötige Einsicht gewinnt, sieht in solchen Welten nur feuchte, kalte Bezirke unterhalb.  - Hans-Jürg Braun, Das Jenseits - Die Vorstellungen der Menschheit über das Leben nach dem Tod. Frankfurt am Main 2000 (it 2616, zuerst 1996)

Hügel (2) Was ich am meisten mag, ist die lange ununterbrochene Linie der Hügel dort. Ja, es ist ein schöner Anblick. Komm, laß uns in den Obstgarten gehen. Hier sind Pfirsiche, zwanzig Jahre am Zweig. Immer noch nicht reif!? Was -! Diese Hügel! Diese Hügel! Aber du wirst wieder jung sein! Nun, vierzehn ist ein schwieriges Jahr für Junge oder Mädchen, ganz zu schweigen von älteren, die der Hafer sticht, doch wenn in einem Lied auch mehr ist als die Noten und ein Lächeln ein hübsches Baby ist, wenn du kein anderes hast - laß uns nicht kehrtmachen. Murmle die Worte, du verstehst, nenne sie vier Brüder, zwing dich, den Sinn zu erhaschen, und gib doch zu, daß es in einer Sprache ist, die man dich nicht gelehrt hat, ein Makel irgendwo - und als Antwort: nun, diese lange ununterbrochene Linie der Hügel dort. - (kore)

Hügel (3)  Mir träumte, ich schlendere ziellos dahin, durch eine anmutig sich breitende Landschaft, da stand mir plötzlich ein Hügel im Weg, schlammig, zu ihm hinan ein Pfad, ausgelegt mit zerbrochenen Schieferplatten. - Die Welt war der Hügel; nichts Anderes rings. — Wollte ich weiter, mußte ich da hinauf; was danach kam, würde sich zeigen.

Ich krempelte die Hosen um und stapfte, achtsam, mich nicht zu beschmutzen, den Pfad hoch, an dem nun ein Soldat stand, der auf eine seltsam verlegene Weise zu seinen Füßen hinuntersah. Der Soldat trug ein Gewehr umgehangen, den Daumen zwischen Tragriemen und Mantel, er trug einen schäbigen Wintermantel mit Mottenlöchern neben den Knöpfen, er trug auch eine Zipfelmütze, oder war es eine Pickelhaube, jedenfalls war es ein älterer Mann, nicht grimmig, nicht böse, doch er stand so im Wege, daß ich wußte, ohne daß er es aussprach, ich durfte an ihm nicht vorbei.

So tat ich zögernd noch zwei, drei Schritte, dann blieb ich vor dem Soldaten stehen, in einer Entfernung, die ich als gebührend ansah, und der Soldat schaute wieder zu seinen Füßen, und nun sah ich, oder ahnte es mehr, daß da zu seinen Füßen ein Loch lag, eine trichterförmige Grube, die sich in nasser Schwärze verlor.

Der Soldat machte eine bedauernde Geste, er breitete ein wenig die Hände aus, wobei er das Gewehr nicht losließ, und schaute wieder ins Loch hinunter, und da wußte ich, daß in dem Loch ein Mensch stak, und da zuckte der Soldat zusammen und wandte seine Augen ab, und Tränen traten in seine Augen, und da wußte ich, daß der Mensch in dem Loch auf furchtbare Weise gefoltert wurde, und da, und wissend, es war das Unschickliche, trat ich an den Soldaten heran und fragte: Dein Bruder?, und der Soldat nickte und biß sich auf die Lippen, da stürzte ich schon den Hügel hinunter, und der Soldat rief, wie flehend: Auf Wiedersehn!   - Franz Fühmann, Dreizehn Träume. Berlin 1991. In: Der Mund des Propheten. Späte Erzählungen (AtV 75, zuerst 1983)

 

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