osentrompeter  Ein Tierarzt, in seiner Eigenschaft als Fleischbetrachter auf dem Zentralviehhof offenbar nicht sonderlich beliebt, betritt die Koje eines Großschlächters, mit dem er längere Zeit nichts zu tun gehabt.

Der Schlächtermeister begrüßt ihn mit den Worten: »Sie leben noch, Herr Doktor? Ich dachte, Sie wären längst tot.«

Worauf der Tierarzt erwiderte: »Ich denke nicht daran. Wenn's zum Sterben geht, überlasse ich Ihnen gerne den Vortritt.«

Nachdem das Gespräch so liebenswürdig begonnen und der Tierarzt mehrere Lungen und Nieren beanstandet hatte, endete die Unterhaltung damit, daß der Schlächter sich zu dem Ausruf hinreißen ließ: »Sie Hosentrompeter!«

»Wie meinen Sie?« fragte empört der Tierarzt.

»Hosentrompeter!«

»Wiederholen Sie das Wort vor Zeugen!«

»Hosentrompeter«, wiederholte der Schlächtermeister.

Der Tierarzt stellte hierauf Strafantrag, und vor Gericht führte der Staatsanwalt aus, daß es sich zweifellos um eine öffentliche Beleidigung handle, da eine unbeschränkte Anzahl von Personen Zutritt zu der Schlachthalle hätte. Er beantragte 75 Mark Geldstrafe.

Der Anwalt des Beklagten dagegen sagte: »Mein Mandant ist ein Mann von fünfundfünfzig Jahren und immer noch völlig unbestraft. Der Zentralviehhof ist überhaupt ein Ort, an dem man nicht jedes Wort auf die Waagschale wirft. Im übrigen behauptet mein Mandant glaubhaft, das Wort gar nicht dem Kläger zugerufen zu haben. Es befand sich nämlich in der Nähe ein sogenannter Schleimer, ein Arbeiter, der Därme aufbläst. Und Därme sind ja auch so lange Dinger wie zum Beispiel Hosen. Als nun der Kläger das Wort ›Hosentrompeter‹ zum ersten Mal hörte, sagte er zu meinem Mandanten: ›Wie meinen Sie?‹ Worauf mein Mandant, der keine Ahnung hatte, daß der Kläger das Wort auf sich bezog, noch einmal sagte: ›Hosentrompeter‹. Der Herr Kläger verlangte nun ausdrücklich, daß der Beklagte das Wort wiederhole. Und da hat er es denn wiederholt.

So und nicht anders stellt sich der Vorgang dar. Sollte das Gericht aber dennoch der Überzeugung sein, daß - wegen des vorangegangenen Wortwechsels - der Kläger das Wort auf sich beziehen mußte, so wird dann doch noch festzustellen sein, inwiefern dieser Ausdruck eine Beleidigung darstellt. Es hat sich während der ganzen Verhandlung nicht der geringste Anhaltspunkt dafür ergeben, was etwa der Sinn dieses Wortes sei. Ich weiß es nicht, der Herr Staatsanwalt weiß es nicht - das Gericht weiß es vermutlich auch nicht. Wie kann ein Wort, dessen Bedeutung kein Mensch kennt, eine Beleidigung darstellen? Sein Sinn ist eben tatsächlich nur durch die Beziehung auf den Schleimer zu erklären, der sich seinerseits keineswegs beleidigt gefühlt hat.

Sollte das Gericht trotzdem zu der Überzeugung gelangen, daß es sich hier um eine Beleidigung gehandelt hat, so ist diese doch keineswegs eine öffentliche zu nennen, da in der Schlachthalle nur eine engbegrenzte Anzahl von Personen Zutritt haben. Ich bitte vor allem zu bedenken, daß mein Mandant immer noch nicht vorbestraft ist - und daß die Metzgermeister heutzutage keineswegs auf Rosen gebettet sind.«

Das Gericht verurteilte den Schlächtermeister zu 45 Mark Geldstrafe — die Öffentlichkeit der Beleidigung nahm es an. Für den Sinn des Wortes »Hosentrompeter« wußte es freilich auch keine Erklärung.   - Sling, Der Fassadenkletterer vom "Kaiserhof". Berliner Kriminalfälle aus den Zwanziger Jahren. Hg. Ruth Greuner. Berlin 1990

 

Hosen Trompeter

 

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