omunkulus  Der Homunkulus, mein Herr, in was für einem geringen und possierlichen Licht er auch in diesem leichtsinnigen Jahrhundert dem Auge der Torheit oder des Vorurteils erscheinen mag — vor dem Auge der Vernunft und der wissenschaftlichen Forschung ist und bleibt er ein Wesen, das durch Rechte beschützt und umschrieben wird. Die feinsten Philosophen, die, nebenbei gesagt, den weitesten Verstand haben (ihre Seelen stehen im umgekehrten Verhältnis zu ihren Untersuchungen), zeigen uns unwidersprechlich: Der Homunkulus ist erschaffen von derselben Hand, gezeugt auf dieselbe natürliche Weise, begabt mit denselben lokomotiven Kräften und Fähigkeiten wie wir, er besteht wie wir aus Haut, Haar, Fett, Fleisch, Venen, Arterien, Sehnen, Nerven, Knorpeln, Knochen, Mark, Gehirn, Drüsen, Zeugungsteilen, Säften und Gelenken, er ist ein Wesen von ebenso großer Geschäftigkeit und, im vollen Sinn des Worts, ebenso wahr und wahrhaftig unser Mitgeschöpf wie der Lordkanzler von England. Man kann ihm Gutes tun, man kann ihn beleidigen, man kann ihm Genugtuung leisten — kurz, er hat alle Vorzüge und Rechte der Menschheit, von denen Tullius, Pufendorf und die besten Sittenlehrer zugeben, daß sie aus diesem Stand und Verhältnis entspringen.

Nun aber, mein lieber Herr, wenn ihm, da er seinen Weg allein fortsetzen mußte, ein Unfall zugestoßen wäre? Oder unser kleiner Herr wäre aus Angst davor, die einem so jungen Wanderer ganz natürlich ist, völlig außer Atem in seiner Herberge angelangt? Die Stärke seiner Muskeln und Mannheit ist abgenutzt bis zur Dicke eines Zwirnsfadens, seine eigenen Lebensgeister sind in unbeschreiblicher Unordnung, und nun muß er sich in diesem jämmerlich zerrütteten Zustand der Nerven neun lange, lange Monate niederlegen, geplagt von jähen Anfällen und zahllosen melancholischen Träumen und Phantasien. — Ich zittere, wenn ich daran denke, was für ein Grund zu tausend Schwachheiten des Leibes und der Seele gelegt worden wäre, die hinterher keine Geschicklichkeit des Arztes oder des Philosophen hätte wieder völlig in Ordnung bringen können.  - (shan)

Homunkulus (2)  Es existiert ein Porträt: über dem aufgeknöpften Kragen des groben Hemdes erhebt sich ein vogelhaft schmaler runzliger Hals mit langen weißen Barthaaren. Der Kopf ist herrlich und erinnert an die altmodisch-romantischen Vorstellungen davon, wie der Kopf eines Philosophen oder eines Dichters auszusehen habe, doch die Augen stehen weit offen und sind völlig leer. Die Augenbrauen sind so hell, daß man sie nur mit Mühe erkennen kann, das Gesicht selber ist bartlos und glatt wie das eines Kindes.

»Er hieß also Ivar G. Lundberg. Er wurde sechsunddreißig Jahre alt. Die Todesursache war eine Lungenentzündung. Er konnte sich selbst waschen und anziehen, sehr viel weiter aber kam er in dieser Beziehung nicht. Sprechen lernte er nie, aber er hatte einen Laut, vielleicht auch ein Wort, das wie ›Momma‹ geklungen haben soll, einen Säuglingslaut also. Den scheint er unterschiedslos für alle einigermaßen wohlwollenden Erscheinungen gebraucht zu haben, die er um sich fand.

Wenn er hingegen die Umwelt als unwillig oder feindselig empfand, zog er sich in eine Ecke zurück und saß sehr lange ganz still da.

Keiner hat je einen Gedanken mit ihm ausgetauscht.« - Lars Gustafsson, Der Homunculus, nach: Künstliche Menschen. Hg. Klaus Völker. Frankfurt am Main 1994 (st 2293)

Homunkulus (3)    Die Generation der homunculi ist keineswegs zu vergessen. Denn es ist etwas daran, wiewohl solches bisher in großer Geheimhaltung und gar verborgen gehalten worden ist, und es ist nit ein kleiner Zweifel und Frag unter etlichen der alten philosophis gewesen, ob der Natur und Kunst auch möglich sei, daß ein Mensch außerhalb des weiblichen Leibs und einer natürlichen Mutter geboren werden könne? Darauf geb ich die Antwort, daß es der Kunst spagirica und der Natur keineswegs zuwider sondern gar wohl möglich sei. Wie aber solches zugehe und geschehen mag, ist nun sein Proceß also: nämlich daß das Sperma eines Manns im verschlossenen Cucurbiten per se mit der höchsten Putrefaction, ventre equino, auf vierzig Tag putreficiert werde, oder so lang, bis es lebendig werde und sich bewege und rege, was leicht zu bemerken ist. Nach dieser Zeit wird es einem Menschen einigermaßen gleich sehen, doch durchsichtig, ohn ein corpus. Wenn es nun nach diesem täglich gar weislich mit dem arcano sanguinis humani gespeist und bis auf vierzig Wochen ernährt wird, und in steter gleicher Wärme ventris equini erhalten, wird ein recht lebendig menschlich Kind daraus, mit allen Gliedmaßen wie ein ander Kind, das von einem Weibe geboren wird, doch viel kleiner. Das selbige nennen wir ein homunculum, und es soll hernach nit anders als ein ander Kind mit großem Fleiß und Sorg auferzogen werden, bis es zu seinen Tagen und Verstand kommt. Das ist nun der allerhöchsten und -größten Geheimnisse eins, welches Gott den tödlichen und sündigen Menschen wissen hat lassen. Denn es ist ein Mirakel und magnale dei und ein Geheimnis über alle Geheimnisse, soll billig auch ein Geheimnis bleiben. - Paracelsus, De generationibus rerum naturalium, nach: Künstliche Menschen. Hg. Klaus Völker. Frankfurt am Main 1994 (st 2293)

Homunkulus (4) Es ist nicht allein lächerlich/ sondern auch gottloß/ des Paracelsi (eines verdammten Menschen) seine Meynung/ von der Geburt und Empfängnüß eines Maennleins im Glase. Denn er hat geschrieben/ daß/ wann man den Menschlichen Saamen in eine gläserne Bulle thäte/ und eine weile im Pferde-Miste vergrübe/ als-denn ein kleiner Mensch solle gezeuget werden. Damit aber dieser gottlose Mensch solchen falschen Satz lehrete/ so hat er einen Grund und Muthmassung vom Ey entborget: weil er nehmlich darbey innen geworden ist/ daß/ wenn es im warmen Orte verschlossen gehalten wird/ alsdenn ein Küchlein herauß gebrütet werde/ und also hat er gemeynet/ daß solches auch mit dem Menschlichen Saamen könne verrichtet werden. Aber solches sein Vorgeben ist vergeblich und erlogen: Sintemahl auß einem verfauleten/ und im Glase unterm Miste verstackten Saamen durchauß keine Menschliche Geburt werden kan: Denn wie der Urheber ist/ so ist auch die Wirckung. - Johannes Praetorius, Von Chymischen Menschen, nach: Künstliche Menschen. Hg. Klaus Völker. Frankfurt am Main 1994 (st 2293)

Homunkulus (5)   In der Anatomie des Gehirns werden die Repräsentationen von Körperregionen auf den primären Rindenfeldern im Bereich der Zentralfurche als sensorischer Homunculus Gyrus postcentralis bzw. motorischer Homunculus Gyrus praecentralis verstanden.

- Wikipedia

Homunkulus (6)  

- N. N.

Homunkulus (7)  Als ein Wesen, dem die Gegenwart durchaus klar und durchsichtig ist, sieht der Homunculus das Innere des schlafenden Faust, den ein schöner Traum von der Leda beglückt, wie sie, in anmutiger Gegend badend, von Schwänen besucht wird. Indem der Homunculus diesen Traum ausspricht, erscheint vor unserer Seele das reizendste Bild. Mephistopheles sieht davon nichts, und der Homunculus verspottet ihn wegen seiner nordischen Natur.

«Überhaupt», sagte Goethe, «werden Sie bemerken, daß der Mephistopheles gegen den Homunculus in Nachteil zu stehen kommt, der ihm an geistiger Klarheit gleicht und durch seine Tendenz zum Schönen und förderlich Tätigen so viel vor ihm voraus hat. Übrigens nennt er ihn Herr Vetter; denn solche geistige Wesen wie der Homunculus, die durch eine vollkommene Menschwerdung noch nicht verdüstert und beschränkt worden, zählte man zu den Dämonen, wodurch denn unter beiden eine Art von Verwandtschaft existiert.» - Johann Peter Eckermann, Gespräche mit Goethe  (16. Dezember 1829)

Homunkulus (8)  Obwohl dies bis jetzt den natürlichen Menschen verborgen gewesen ist, ist es doch den Waldgeistern, den Nymphen und den Riesen nicht verborgen gewesen, sondern war ihnen schon vor langen Zeiten bekannt und davon stammen sie auch. Denn aus diesen Homunculi, wenn sie ein männliches Alter erreichen, werden nämlich Riesen, Zwerge und andere ähnliche Wunderleute, die als großes Werkzeug und Instrument gebraucht werden können, die einen großen, gewaltigen Sieg wider ihre Feinde erringen, die alle heimlichen und verborgenen Dinge wissen, welche alle anderen Menschen nicht wissen können. Denn durch die Kunst erhalten sie ihr Leben, durch die Kunst erhalten sie Leib, Fleisch, Bein und Blut, durch die Kunst werden sie geboren. Daher wird ihnen die Kunst einverleibt und angeboren, sie brauchen es von niemandem zu lernen, sondern man muß von ihnen lernen. Durch die Kunst sind sie da und aufgewachsen wie eine Rose oder Blume im Garten und sie werden Kinder der Waldgeister und Nymphen genannt, weil sie mit ihren Kräften und Taten nicht Menschen, sondern Geistern gleichen.  - (par)

Homunkulus (9) Der österreichische Dichter Robert Hamerling setzte die Figur des Homunkulus ein, um eine scharfe Kritik an einer zunehmend materialistisch orientierten Weltanschauung zu üben. In dem 1888 veröffentlichten, satirischen Epos Homunkulus beschreibt Hamerling einen Professor, der einen Homunkulus schafft. Dieser ist mit seiner Erschaffung allerdings nicht zufrieden, zu klein und schrumpelig sei sein Äußeres. In seinem weiteren Leben macht der Homunkulus Karriere als Geschäftsmann und Verleger. Er gründet eine Zeitschrift, die für den Abdruck von Gedichten kein Honorar zahlt, sondern ein Honorar fordert. Mit dem Verkauf dieser Zeitschrift wird der Homunkulus reich, verliert sein Geld jedoch wieder in einem Börsencrash. Nach einem Suizidversuch baut er eine Schule für Affen auf, die das Ziel hat, bessere Menschen zu züchten. Da dieses Projekt und auch weitere Unternehmungen scheitern, entwickelt sich der Homunkulus schließlich zu einem radikalen Misanthropen, der sich als Einsiedler zurückzieht und an einem Luftschiff baut. Schließlich fährt der Homunkulus rastlos mit diesem Luftschiff umher und verwüstet dabei viele Landstriche. - Wikipedia

Homunkulus (10)  Clemens Romanus erklärte um 250 n. Chr., dass Simon Magus einen Menschen geschaffen hätte, indem er Luft in Wasser, Wasser in Blut und schließlich Blut in Fleisch verwandelt habe.

In der Tradition der Alchemie war die Idee der Erzeugung von neuem Leben verbreitet. Organisches Material schien einen Seelenstoff zu enthalten, aus dem man neues, künstliches Leben gestalten könne. Noch Pierre Borel, der Leibarzt Ludwigs XIV., behauptete im späten 17. Jahrhundert, dass durch die Destillation von Menschenblut eine menschliche Gestalt entstehe. Ähnliches wird von dem britischen Chemiker und Mystiker Robert Fludd berichtet, der angeblich einen Menschenkopf in der Retorte züchtete. - Wikipedia

Homunkulus (11)

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