War da ein Scheit, das die Schwestern, die drei, in die Flammen
geworfen, als des Thestius Tochter noch lag, nachdem sie entbunden.
Während mit drückendem Finger den Schicksalsfaden sie spannen,
sprachen sie: „Eben Geborner, wir geben dir und dem Holz hier
einerlei Lebens Frist." Als diesen Spruch sie gesprochen,
gingen die Göttinnen. Aber die Mutter riß aus dem Feuer eilig
den flammenden Zweig und besprengt ihn mit lauterem Wasser. Lang
war so er im letzten Gemache verborgen gewesen, hatte, selber
bewahrt, o Jüngling, bewahrt deine Jahre.
Ihn zog nun die Mutter hervor, ließ Fackeln und Späne schichten
und legte an die alsbald das feindliche Feuer. Viermal versuchte
sie dann, den Zweig in die Flammen zu legen, viermal hielt sie
ein. Mit der Schwester kämpfte die Mutter. Beider Namen drängen
nach ihrer Seite das eine Herz; und oft erblich
ihr Gesicht vor dem kommenden Frevel, oft verlieh der glühende
Zorn sein Rot ihren Augen. Bald ist ihr Blick wie eines, der
etwas Grausames droht, und bald wie eines, von dem du glaubtest,
er fühle Erbarmen. Immer, sooft die Tränen ihr auch von der
Glut ihres wilden Zornes getrocknet, fanden die Tränen sich
wieder. Dem Fahrzeug gleich, das der Wind und, dem Winde entgegen,
die Strömung dahinreißt, das zwei Kräfte verspürt, unschlüssig
beiden gehorcht, so schwankt des
Thestius Tochter in zweifelvollem Empfinden, wechselnd legt
sie ab ihren Zorn und weckt ihn aufs neue.
Doch sie beginnt eine bessere Schwester
als Mutter zu sein, und willens die
Schatten, die blutsverwandten, durch Blut zu versöhnen, zeigt
sie frevelnd sich fromm. Als das Feuer erstarkt, das verderben- bringende,
spricht sie: „Verbrenne mein eigen Geweide der Brand hier!"
Und, in der schrecklichen Hand das verderbenbedeutende Holzscheit,
trat die Unselige hin vor des Totenopfers Altar und rief:
„Eumeniden, ihr, der Sühne Göttinnen drei, ihr, wendet her euren
Blick auf dieses grausige Opfer! Rächend begehe ich Frevel.
Durch Tod ist Tod zu versühnen und zu Verbrechen Verbrechen
zu fügen, ein Grab zu den Gräbern. Mag das Frevelhaus vergehn
in Trauer auf Trauer. Oder soll Oeneus im Glücke des siegreichen
Sohnes genießen, Thestius trauern verwaist? Nein, besser trauert
ihr beide.
Ihr nur, Schatten der Brüder, ihr heute verschiedenen Seelen, fühlt
den Dienst, den für euch ich leiste. Empfangt das um hohen Preis
euch bereitete Opfer, die böse Frucht meines Schoßes. — — Weh
mirl Wo reißt es mich hin? Verzeiht ihr Brüder der Mutter! Nein,
es versagt mir die Hand! Er hat, warum er verderbe, Wohl, ich
gesteh' es, verdient: des Todes Vollstrecker mißfällt mir. — Soll
er ungestraft denn sein und lebend als Sieger stolz auf seinen
Erfolg die Herrschaft in Calydon haben, ihr, ein Häuflein Asche,
als kalte Schatten ihr wesen? Nein, ich dulde es nicht! Der Verbrecher
gehe zu Grunde, nehm' er die Hoffnung des Vaters, des Reiches,
des Landes auch mit sich! — Doch wo bleibt das Muttergemüt, die
Schwüre der Eltern, wo die Mühen, die zehn Monde um ihn ich getragen? Wärest
du doch als Kind in dem ersten Feuer verbrannt, und hätt' ich's
gelitten! Du hast durch mein Geschenk nur gelebt, nun stirbst
du nach deinem Verdienst. Empfange den Lohn deiner Tat, die Seele,
die ich dir zweimal geschenkt — gebärend und rettend — gib sie
zurück, oder laß ins Grab meinen Brüdern mich folgen. — — Ach,
ich will und vermag nicht! Was tu ich? Bald stehn mir der Brüder blutige
Wunden vor Äug, das Bild ihrer grausen Ermordung, jetzt zerbricht
meinen Mut der Gedanke, daß Mutter ich heiße. — — Wehe mir, weh!
Ihr werdet zum Unheil siegen, o Brüder, aber ihr siegt. Wenn
ich selbst nur dem Trost, den euch ich gegeben, folge und euch!"
So sprach sie und stieß mit der zitternden Rechten abgewandt
mitten ins Feuer das todbedeutende Holzscheit, Seufzen ließ das
Scheit oder schien es vernehmen zu lassen, und es brannte, erfaßt
von den widerwilligen Flammen.
Dort, wo er ist, verbrennt an der selben Flamme der Ahnungs- lose;
er fühlt sein Geweid in verborgenem Feuer verdorren. Doch unterdrückt
er mit männlichem Sinn die gewaltigen Schmerzen, daß einem feigen
Tod er ohne zu bluten erliege, klagt er allein und preist die
Wunden des Arcaders glücklich, ruft unter Seufzen den Vater,
den hochbetagten, mit letztem Atem die Brüder, die Schwestern,
die treuen, die Lagergenossin, auch die Mutter vielleicht. Es
wachsen Feuer und Schmerzen, schwellen wiederum ab; zugleich
erloschen sind beide, und in die leichten Lüfte entwich allmählich
des Lebens Hauch, wie die graue Asche allmählich die Gluten
bedeckte.
|