Dolzfällerkneipe    Sollte hier nicht irgendwo 'ne Hölzfällerkneipe sein? Zwar wußte jeder, daß die Arbeiter in den Wäldern - wenn auch nicht jene in den Sägewerken, weil die Japaner die unbearbeiteten Stämme so schnell aufkauften, wie man die Landschaft nur rasieren konnte -jede Menge Geld verdienten, aber selbst wenn man das in Rechnung stellte, bot sich hier ein entschieden merkwürdiger Anblick. Abenteuerliche Gestalten von derber Denkart, robust vor allem im Umgang mit dem Tod, thronten schwerelos auf Designer-Barstühlen und nippten an Kiwi-Mimosas. Die Jukebox, die einst an Hunderten von Freeway-Ausfahrten küstenauf und kü-stenab für ihre gigantische Country-and-Western-Kollektion berühmt gewesen war (darunter ein halbes Dutzend Coverversionen von «So Lonesome I Could Cry»), war auf leichte Klassik und New Age-Musik umgestellt, die sanft am Rand der Wahrnehmbarkeit dahinzirpte und die anwesenden Axtschwinger und Seilsetzer derart ruhigstellte, daß sie wie Dressmen in einer Anzeige zum Vatertag aussahen. Einer der stärker gebauten unter ihnen, der zu den ersten gehörte, die Zoyd bemerkten, hatte beschlossen, sich der Situation zu stellen. Er trug eine modisch gestylte Sonnenbrille, ein Turnbull & Asser-Shirt mit einem pastelligen Karomuster, Jeans der dreistelligen Preisklasse von Mme. Gris und Apres-Holzfällerschuhe aus dezent, aber unverkennbar blau gefärbtem Wildleder.

«Einen wunderschönen Nachmittag, schöne Frau. Sie sehen wirklich prachtvoll aus, und ich bin sicher, daß wir unter anderen Umständen alle darauf brennen würden, Sie als einen Menschen mit vielen inneren Vorzügen kennenzulernen und so weiter und so fort, aber nachdem Ihr äußeres Erscheinungsbild Sie als höchst sensibles Wesen ausweist, werden Sie sicher Verständnis dafür haben, daß uns hier in puncto sexueller Orientierung ein paar unklare Schwingungen aufstoßen, falls Sie mir folgen können.»

Der längst verwirrte Zoyd, dessen Überlebensinstinkte möglicherweise nicht ganz auf der Höhe des Augenblicks waren, beschloß, die Kettensäge aus der Tasche hervorzuholen. «Buster!» rief er flehentlich zum Wirt hinter der Theke. «Wo sind die Medien?» Sein Werkzeug zog schlagartig alle Aufmerksamkeit auf sich, nicht unbedingt bloß aus technischem Interesse. Es war eine nur als Sonderanfertigung lieferbare Kettensäge für Damen, «stark genug für Stammholz», wie es in der Werbung hieß, «und zierlich genug für zarte Hände». Die Sägeschiene, das Gehäuse und die Griffe waren mit echtem Perlmutt eingelegt und auf der Schiene, umgeben von der zahnbewehrten Kette, die bereit war loszubrummen, prangte in imitierten Bergkristallen der Name der jungen Frau, von der er sich die Säge ausgeliehen hatte, den die Zuschauer jedoch für Zoyds Transvesütennamen hielten: CHERYL.

«Ganz ruhig, Cowgirl, ist ja alles im Lot», während der Holzfäller zurückwich und Zoyd, bemüht um stille Würde, an der seidenen Starterkordel zerrte, worauf sich die perlmuttbesetzte Damenkettensäge zu rühren begann.

«Na, wie gefallt dir das Schnurrkätzchen?»    - Thomas Pynchon, Vineland. Reinbek bei Hamburg 2015

Holzfäller

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