Hohl
 

 NOTTURNO VOM HOHL

I

Um zu sehn, daß alles hingegangen,
um zu sehn die Hohle und die Kleider,
gib mir deinen Mondenhandschuh,
deinen anderen im Gras verlornen Handschuh,
meine Liebe!

Fortreißen kann die Luft die Schnecken,
tot auf des Elefanten Lungen,
fortblasen die erstarrten Würmer von den Knospen
des Lichtes oder auch der Apfel.

Dahin, zum kaum bemerkbaren Geschrei
des Grases, treiben fühllos die Gesichter,
und in dem Winkel ist des Frosches kleine Brust
von Herz erschüttert und von Mandoline.

Auf dem verlaßnen großen Platz
muhte der eben abgcschnittne Rinderkopf,
und hartes, nicht zu veränderndes Kristall
waren die Formen, die der Schlange Windung suchen.

Um zu sehn, daß alles hingegangen,
gib mir dein stummes Hohl, o Liebe!
Akademiewehmut und trüben Himmels Wehmut.
Um zu sehn, daß alles hingegangen.

In dir, du meine Liebe, um dein Fleisch,
welch eine Stille umgestürzter Züge!,
und welche moderigen Mumienarme!,
welch Himmel ohne Ausweg, Liebe, welch ein Himmel!

Der Stein im Wasser und die Stimme in der Brise
sind Sprößlinge der Liebe, die ihrem blutgen Stamm entsprungen.
Genug, den Pulsschlag zu betasten unsrer gegenwärtgen Liebe,
daß Blumen sprießen auf den andren Kindern.

Um zu sehn, daß alles hingegangen.
Um zu sehn der Wolken und der Flüsse Hohl
Gib deine Lorbeerhände mir, du Liebe.
Um zu sehn, daß alles hingegangen!

Die reinen Hohle kreisen um mich, um dich im Morgendämmer
und sie verwahren gut die Spuren von des Blutes Zweigen
und irgendein sehr stilles Gipsprofil, das so beschreibt
den jähen Schmerz von einem Mond, dem das Genick durchstoßen

Betrachte reine Formen, die ihr Leeres suchen.
Verirrte Hunde, angebißne Äpfel.
Betrachte Angst und Unruh einer traurigen, fossilen Welt,
die den Akzent nicht findet ihres ersten Schluchzens.

Wenn ich im Bette nach des Fadens Murmeln forsche,
dann bist du, meine Liebe, da, das Dach mir zu bedecken.
Das Hohl von einer Emse kann die Luft ausfüllen,
doch du gehst stöhnend ungewiesnen Wegs durch meine Augen

Nein, nicht durch meine Augen, denn du zeigst mir nun
ein paar in deinem Arme eingeengte Flüsse
in jener unerträglichen Baracke, wo Lima, da gefangen,
vor allen Kindern einen Seemann aufzehrt.

um zu sehn, daß alles hingegangen,
unüberwindliche, geflohne Liebe!
Nein, gib dein Hohl mir nicht,
denn meines geht dahin schon mit der Luft!
Weh mir, weh dir und weh der Brise!
Um zu sehn, daß alles hingegangen.

II

Ich.
Mit dem sehr weißen Hohlen eines Pferdes,
Mähne aus Asche. Reiner und doppelter Platz.

Ich.
Mein Hohl, durchstoßen mit den zerbrochnen Achsen.
Trockne Haut geschlechtsloser Traube und Asbest der Morgenfrühe.

Ein einzges Auge faßt das ganze Licht der Welt.
Der Hahn kräht, und sein Krähen währt länger noch als -seine Flügel.

Ich.

Mit dem sehr weißen Hohlen eines Pferdes.
Umringt von Zuschauern, die Emsen in den Worten haben.

Im Kältezirkus und mit unverstümmeltem Profil.
Um die zerbrochnen Kapitelle der blutentleerten Wangen.

Ich.
Mein Hohl ganz ohne dich, Stadt, und ohne deine Toten, welche essen.
Zu Pferd durch mein endgültig verankertes Leben.

Ich.
Es gibt kein neues Zeitalter, kein neues Licht.
Nur ein azurnes Pferd und einen Morgenanbruch.

- Federico Garcia Lorca, Dichter in New York. Frankfurt am Main 1963 (Übs. Enrique Beck, zuerst 1930)

 

Etwas

 

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