Dofzeremoniell    Man hat uns von den Tahuglanken berichtet, die in der Gegend des 141. Längengrades im Norden Neu-Mexikos leben. Man erzählt von ihnen, sie seien ein zivilisiertes Volk, den schönen Künsten zugetan, wenn auch in ihren Sitten und Gebräuchen ziemlich eigen. So pflegt ein Tahuglanken-Prinz von Geblüt den Nachtstuhl mitten in seinem Audienzzimmer und umringt von seinem sämtlichen Gefolge zu besteigen. Das ist ein Vorrecht, über das er eifersüchtig wacht. Da thront er nun auf dem mobilen Sitz und schneidet, da er verstopft ist oder auch nicht, vor aller Augen, unverschleiert und auch von keiner spanischen Wand geschützt, sämtliche Grimassen, die der Situation gemäß sind. Von Zeit zu Zeit reicht ihm ein kerzengrader, höchst beflissener Kammerdiener Wattebäusche, mit denen er sich abwischt, damit sie der Lakai, dem alle zusehn, wie Butterbrote aufeinander schichte, auf daß der ganze Hof der Exkremente seines hohen Herrn ansichtig werde. Die Granden wappnen dabei ihre Nasen mit Geduld, denn sich gewisser stickiger Dünste Wirbel zu entziehen ist ihnen nicht gegeben. Mit der Absicht, ihrem Prinzen aufzuwarten oder ihn um eine Gunst zu bitten, platzen oftmals schöne Damen in das feierliche Zeremoniell. Versagt ist ihnen, sich zurückzuziehen; das verstieße gegen jede Etikette. Also bleiben sie, und machen mit Gesichtern, als wäre überhaupt nichts, Konversation. Mag der Tahuglanken-Adel vor der Nase jener kacken, die ihn am Vormittag besuchen kommen - es wird ihm heimgezahlt, sobald er sich bei seinem Landesfürsten zeigt. Denn jener thront auf dem gelochten Stuhl noch stolzer und gibt dabei nicht mindere Wohlgerüche von sich. Seine Vasallen werden sie mit derselben Standhaftigkeit ertragen müssen, die sie eben noch den eigenen Leuten abverlangten; auch sie werden es nicht wagen, den Kopf abzuwenden, die Unterhaltung wird ihren Gang nehmen, als erfüllten zarte Düfte das Gemach. Und mit eiserner Nase werden die Höflinge Tröstung im Gedanken suchen, daß sie spätestens in drei Tagen wieder an der Reihe sein werden, sich, unterstützt von einem tüchtigen Abführmittel, in aller Ruhe und nach Herzenslust vor der mit gelassenen, heiteren Mienen dastehenden Gefolgschaft ihres Hauses zu produzieren.    - Louis Sébastien Mercier, Mein Bild von Paris. Frankfurt am Main 1979 (zuerst ca. 1780)
 

Hofleben Zeremonie

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