ofhund Es
kam ein Mann in mein Haus aus einer unerklärlichen Veranlassung. Er war mir
nicht sympathisch, aber beim ersten Eintritt brachte er eine gute und wichtige
Neuigkeit. Eigentümlich ist, daß ich, ohne es zu wissen, ihn aus einer Gefahr
rettete, zum Dank für seine gute Neuigkeit.
Beim zweiten Mal brachte er ein Buch mit, das er bei einem Trödler gekauft
hatte; und in diesem Buch fand ich unschätzbare Aufschlüsse über mein Thema, das ihm jedoch wildfremd war.
Ein anderes Mal, als ich gerade an einem Drama schrieb und damit festsaß,
kam er und erzählte eine Geschichte von einem unbekannten Menschen. Diese Geschichte
benutzte ich sofort, um den Knoten meines Dramas zu lösen, und ich hatte den
Eindruck, daß er mir die Verbindung gegeben.
Zuweilen argwöhnte ich, er wolle an mein Schicksal rühren, und ich schloß
die Tür; mußte sie aber bald wieder öffnen, und ich gewann die Gewißheit, daß
er es nicht bewußt auf mich abgesehen hatte. Er liebte mich eigentlich nicht,
und wenn er kam, schien er im Schlaf zu wandeln, oder nicht zu wissen, warum
er kam. Dieser Mann hatte jedoch eine unerklärliche Fähigkeit, mir Mut zuzusprechen
und Zuversicht zu geben, während einer Zeit, da mir alle das Selbstgefühl zu
rauben suchten. Er war stark und ganz seiner Sache sicher, hatte seine bestimmten
Ansichten, sprach Warnungen aus; und er haßte meine Feinde, ohne sie zu kennen.
Er haßte meinen schlimmsten Feind, nannte aber niemals seinen Namen. Kam zuweilen
gelegen und unterbrach dessen Besuch; ich fühlte, wie mein "Hofhund" mich
bewachte und durch seine bloße Gegenwart die Feinde verscheuchte. - (
blau
)
Hofhund (2)
-
Paul Wunderlich
Hofhund (3)
Der Maremmenhund, vielmehr das Maremmenstacheltier, stürzte vor: als
wollte es sich erwürgen oder sich selbst guillotinieren im Halsband, einem dünnen
Eisenstreifen, an dem das Fell des Wütenden sich aufsträubte: und an hochgespannter
Kette begann er erneut zu jaulen, zu heulen, unermüdliche, frenetische Ausbrüche:
als deklamiere er leidenschaftliche Verse des Foscolo, ohne aber ihren Sinn
zu verstehen noch ihren Un-Sinn, vor einem von plötzlicher Müdigkeit übermannten
Publikum: entschlossen, sie alle wieder aufzuwecken und sie zur Läuterung und
zur Wachsamkeit aufzurufen, und auch nicht dem letzten von ihnen Schläfrigkeit
zu verzeihen. Schleimiger Geifer, wie Be-chamel, kam bei diesem Tun dem verteufelten
Idioten zwischen den ärmlichen und krummen Reißzähnen und seiner ganzen hündischen
Wildheit hervor und quoll bei jedem erneuten Aufrucken des Kopfes in weißlichen
Flocken über die Lefzen: aus dem Brand derart betauten Zorns hob er die blutunterlaufenen
Augen der reißenden Bestie gen Himmel, als wolle er die Zustimmung der himmlischen
Tiere, der Götter seiner Rasse beschwören, ihr Numen günstig zu stimmen, als
wolle er die Billigung für noch töchtigere Elfsilber einholen. Welchselbiges
er, dumm wie er war, zwischen den Stiefeln und den Wickelgamaschen der Carabinieri
als seine unerläßliche Pflicht betrachtete. Diese wütenden Fürze seines Zorns
zerrissen ihm beinah den Schlund, aus dem hin und wieder, was die Polizisten
unsicher machte, die höhlenhafte Röte aufschien wie aus einer Höllenspelunke:
und als er das Federvieh vor dem Geschnaufe des Zuges herfliehen sah, verdoppelte
sich seine Heftigkeit bis zum Paroxismus und schien es gar den besessenen Sophonisben
gleichtun zu wollen: aber die Haltbarkeit der Kette und die Güte der Schnur,
vielmehr des Seils, hielten ihn, wenn auch nüt knapper Not, zurück. So stieß
halt sein verrückter Schädel bei jedem Ausbruch der Kehle auf und ab, ohne Sinn
und Verstand und ohne Gewinn für ihn noch für andere; Zerberus:
auf Urlaub im Irdischen, auf den Hügeln, wo er sich ans Werk begeben hatte,
soff er das unverdiente Licht, die süße Aura der offnen Himmel über ihnen: coeli
jucundum lumen et auras. - Carlo Emilio Gadda, Die gräßliche Bescherung
in der Via Merulana. München 1988