örnertanz, sizilianischer «Das Volk...» grinste der Alte, «das Volk... Dem Volk hat man damals Hörner aufgesetzt und setzt ihm heute Hörner auf. Der Unterschied besteht lediglich darin, daß der Faschismus dem Volk eine einzige Fahne an seine Hörner hängte und daß die Demokratie es jedem erlaubt, sich selbst eine von der Farbe, die ihm gefällt, an seine eigenen Hörner zu hängen... Wir kommen zu unserem Ausgangspunkt zurück. Es gibt nicht nur Leute, die zum Hahnrei geboren sind. Es gibt auch ganze Völker, die das sind. Von alters her haben sie Hörner aufgesetzt bekommen. Eine Generation nach der anderen...»
«Ich habe nicht das Gefühl, daß man mir Hörner aufsetzt...» sagte der Junge.
«Ich auch nicht. Aber wir, mein Lieber, wir treten den anderen auf die Hörner,
als ob wir tanzten...» Und der Alte stand auf und deutete ein paar Tanzschritte
an, um zu zeigen, in welchem Rhythmus man von einer Hornspitze auf die andere
balancieren muß. Der Junge lachte. Dem Alten zuzuhören war ein Vergnügen. Die
kalte Lust und Gewalt, für die er in seiner Jugend berühmt gewesen war, das
wohlberechnete Hasardspiel, die Schlagfertigkeit seines Geistes und seiner Hände,
kurz, alle jene Eigenschaften, die ihm bei seiner Umgebung Furcht und Respekt
verschafft hatten, schienen manchmal von ihm zu weichen wie das Meer vom Strand
und auf dem Sand seiner Jahre nur die leeren Hülsen der Weisheit zurückzulassen.
Manchmal wird er wirklich ein Philosoph, dachte der Junge, der die Philosophie
für eine Art Spiegelkabinett hielt, in dem eine lange Erinnerung und eine kurze
Zukunft einander nur das Dämmerlicht von Gedanken und verzerrte, ungenaue Bilder
der Wirklichkeit zuwerfen. In anderen Augenblicken aber kam der harte, unbarmherzige
Mensch wieder zum Vorschein, der er immer gewesen war. Und merkwürdigerweise
hagelte es dann, wenn er die Dinge dieser Welt wieder so hart und gerecht wie
einst beurteilte, in seiner Rede nur so von den Wörtern Hörner und Hahnrei,
in verschiedenen Bedeutungen und Nuancen, aber immer, um seine Verachtung auszudrücken.
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Leonardo Sciascia, Der Tag der Eule. Zürich 1991
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