örbarkeit
Es gibt Töne, die wir nicht hören können.
An beiden Enden der Skala sind Töne, die keine Taste dieses unvollkommenen Instrumentes,
des menschlichen Ohrs, berühren. Sie sind zu hoch oder zu tief. Ich habe einen
Schwärm Drosseln beobachtet, der die Krone eines ganzen Baumes einnahm, nein,
sogar die Kronen von mehreren Bäumen, und alle sangen aus voller Kehle. Plötzlich,
in einer Sekunde, in absolut dem gleichen Augenblick, werfen sich allesamt in
die Luft und fliegen davon. Wieso? Sie konnten einander nicht alle sehen, ganze
Baumkronen waren dazwischen. An keinem Punkt auch konnte ein Leitvogel allen
anderen sichtbar sein. Es muß ein warnendes oder befehlendes Signal gegeben
haben, hoch und schrill über ihrem Gelärme, aber unhörbar für mich. Dasselbe
gleichzeitige Auffliegen habe ich auch beobachtet, als sie alle still waren,
und nicht nur bei Drosseln, sondern auch bei anderen Vögeln - Wachteln zum Beispiel,
die durch Gebüsch weit voneinander getrennt waren, die sogar auf den entgegengesetzten
Seiten eines Hügels saßen.
Seeleuten ist es bekannt, daß einzelne Gruppen
von Walfischen, die sich an der Meeresoberfläche wärmen
oder herumtummeln, meilenweit entfernt voneinander, zwischen ihnen die Erdkrümmung,
manchmal im selben Augenblick untertauchen - alle mitsammen in ein und demselben
Moment unsichtbar werden.
- Ambrose Bierce, Das verfluchte Ding. In: A.B., Mein Lieblingsmord. Frankfurt
am Main 1974 (it 39)