öllenmaschine   Schlechte Argumente dienten der Encyclopédie dazu, orthodoxe Schlußfolgerungen vorzubringen, und gute Argumente, den Lesern Häresien nahezubringen - nur um am Ende die Orthodoxie durch strategisch gesetzte Trugschlüsse zu retten. Gleichzeitig konfrontierte sie ihre Leser mit einer erbaulichen Ansammlung tugendhafter und einsichtsvoller Eingeborener, Hindus, Konfuzianer, Stoiker, Deisten und sogar Atheisten im Gegensatz zu unzüchtigen und törichten Päpsten, Bischöfen, Priestern und Mönchen. Und sie würzte diese Freigeisterei mit einigen gepfefferten Querverweisen. Der berühmteste erschien im ersten Band unter MENSCHENFRESSER (ANTHROPOPHAGE), einer nüchternen Beschreibung des Kannibalismus, die mit dem Hinweis endete: »Siehe EUCHARISTIE«. Der Artikel EUCHARISTIE in Band III enthielt eine mustergültige Abhandlung über die heilige Kommunion, die am Ende ebenso den Hinweis trug: »Siehe MENSCHENFRESSER«.

Wenn man diese Verweise herausnimmt und zusammenfaßt, lassen sie die Encyclopédie beinahe wie eine Höllenmaschine erscheinen, die auf alle Orthodoxien des Ancien Régime zielt. Aber die meisten von ihnen wurden von den Lesern, die das Werk zum Nachschlagen eines bestimmten Stichworts heranzogen, wohl nicht einmal bemerkt. Darüber hinaus waren geistreiche Ungezogenheiten in der Literatur der Libertins bereits seit einem Jahrhundert erschienen. Es war nicht die gelegentliche Gottlosigkeit, welche die Encyclopédie so bedrohlich erscheinen ließ. Die Gefährlichkeit lag in dem Programm, das in diesem Werk verkörpert war: in dem Versuch, das gesamte Wissen der Zeit neu zu strukturieren. - Robert Darnton, nach (enc)

Höllenmaschine (2)

Mit Feuer wird ein Löchlein, kaum zu spüren,
Von ihm berührt, nah an des Rohrs Verschluß;
So wie der Arzt den Ort pflegt zu berühren.
Wo man hernach die Ader binden muß.
Heraus mit Krachen fährt das Blei, als führen
Donner und Blitz heraus in einem Schuß;
Und wo es hinkommt, wird, als ob es wettert,
Alles verbrannt, gestürzt, durchbohrt, zerschmettert.

Durch diese Tücke hat er in zwei Tagen
Das Heer besiegt, die Brüder mir gefällt.
Dem ersten ward der Panzerstahl zerschlagen
Im ersten Kampf, das Blei ins Herz geschnellt;
Den andern warf er dann, im flücht'gen Jagen
Der zweiten Schlacht, getötet auf das Feld.
Von weitem wußt' er hinten in den Rücken,
Zur Brust hinaus die Kugel ihm zu drücken.

Mein Vater, der sich hielt in einer Feste,
Der einzigen, die ihm noch übrig war
(Denn schon vertrieb der Feind ihn aus dem Reste),
Ward gleicherweise seines Lebens bar.
Indem er hin und her ging und aufs beste
Für dies und jenes sorgt' in der Gefahr,
Traf der Verräter, der auf viele Schritte
Zum Ziel ihn nahm, ihn in der Augen Mitte.

 - (rol)

Höllenmaschine (3)  Louis Philippe reitet draußen im Sonnenschein mit glänzendem Gefolge vorüber, während Fieschi in einem kleinen verhängten Zimmer, in dem ein Kaminfeuer brennt, die Lunte an seine Höllenmaschine legt, die einer Orgel aus Gewehrläufen gleicht. Einige davon explodieren; die Splitter verstümmeln ihm die Hände und reißen seinen Schädel auf, während sich auf der Straße vierzig Menschen in ihrem Blute wälzen, darunter der Marschall Mortier. Solche Naturen sind Träger der Disharmonien - man muß sich fragen: ist es die Höllenmaschine oder ist es Fieschi, der hier explodiert? Man heilte ihn mühsam und köpfte ihn dann. - Ernst Jünger, Strahlungen. 29. Januar 1944
 
 

Maschine

 

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