Döhlenzeichnung   Ich blickte die Wände aus nacktem Fels hoch, die sich endlos entlang der niedrigen Gänge erstreckten, und in in den noch gröberen, aber wenn möglich noch unverkennbareren Umrissen sah ich die Form des Fisches geritzt.

Irgend etwas daran gab ihm den Anschein, als sei es ein fossiler Fisch oder irgendein anderer rudimentärer Organismus, für immer in einer erfrorenen See festgehalten. Ich konnte diese Analogie zunächst nicht analysieren, da sonst nichts sie mit dieser Ritzzeichnung im Stein verband, bis mir klar wurde, daß ich mir im Unterbewußten sagte, die ersten Christen müßten wie Fische gewirkt haben, die da stumm in einer versunkenen Welt aus Zwielicht und Schweigen hausten, tief unter den Fußender Menschen, und die sich im Dunkel und Zwielicht einer laudosen Welt bewegten.

Jeder, der je durch eine Steinpassage geschritten ist, weiß, wie das ist, wenn einem Phantomschritte folgen. Das Echo folgt einem tappernd nach oder läuft klappernd vorauf, so daß es einem Mann, der wirklich allein ist, fast unmöglich ist, an sein Alleinsein zu glauben. Ich hatte mich an die Wirkung dieses Echos gewöhnt und es schon seit einiger Zeit nicht mehr wahrgenommen, als mein Blick auf den symbolischen Umriß fiel, der da in die Felswand geritzt war. Ich blieb stehen, und im gleichen Augenblick erschien es mir, als bliebe mein Herz ebenfalls stehen; denn zwar waren meine Füße stehengeblieben, aber das Echo marschierte weiter.

Ich rannte vorwärts, und es schien, als ob die gespenstischen Fußschritte ebenfalls rannten, aber nicht in jener exakten Nachahmung, die das materielle Nachbeben eines Tons kennzeichnet. Ich hielt wieder an, und die Schritte ebenfalls; aber ich hätte schwören können, daß sie einen Augenblick zu spät anhielten; ich rief eine Frage; und mein Ruf wurde beantwortet; aber die Stimme war nicht meine.

Sie kam um die Ecke eines Felsens genau vor mir; und während jener ganzen unheimlichen Jagd bemerkte ich, daß sie immer an solchen Ecken des krummen Ganges innehielt und redete. Das bißchen Raum vor mir, das meine kleine elektrische Lampe er-

hellen konnte, war immer so leer wie ein leerer Raum. Und unter solchen Umständen führte ich ein Gespräch mit ich weiß nicht wem, das bis zum ersten weißen Schimmer des Tageslichtes wahrte, und selbst da konnte ich nicht erkennen, wie er ins Licht des Tages verschwand. Doch die Mündung des Labyrinthes war voller Offnungen und Risse und Spalten, und für ihn wäre es nicht schwierig gewesen, sich irgendwie zurückzustürzen und aufs neue m der Unterwelt der Höhlen zu verschwinden. Ich weiß nur, daß ich auf die einsamen Stufen eines großen Berges wie auf eine Marmorterrasse hinaustrat, nur von grüner Vegetation überstreut, die irgendwie tropischer als die Reinheit des Felsens wirkte, so wie die orientalischen Invasionen, die sich sporadisch über den Untergang des klassischen Hellas ergossen. Ich bückte hinaus auf eine See von fleckenloser Bläue, und die Sonne schien stetig auf die äußerste Einsamkeit und Stille; und da war nicht ein Grashalm, den der Hauch einer Flucht bewegt hätte, und nicht der Schatten vom Schatten eines Mannes.

Es war ein schreckliches Gespräch gewesen; so intim und so persönlich und in gewisser Weise so beiläufig. Dieses Wesen -körperlos, gesichtslos, namenlos, das aber mich beim Namen rief— hatte zu mir in jenen Grüften und Klüften, in denen wir lebendig begraben waren, mit nicht mehr Leidenschaft oder Dramatik gesprochen, als säßen wir in einem Club in zwei Sesseln. Und dennoch hatte er mir gesagt, daß er ohne jeden Zweifel mich oder jeden anderen Mann töten werde, der in den Besitz des Kreuzes mit dem Zeichen des Fisches komme.  - G. K. Chesterton, Der Fluch des Goldenen Kreuzes. In: G.K.C., Father Browns Ungläubigkeit. Zürich 1991

Höhle Zeichnung

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