öhlenweib, lustiges  Sie war etwas haarig, ein Vorderzahn fehlte, aber ihren Sex-Appeal konnte man auf zweihundert Meter wahrnehmen, wie einen Geruch — und vielleicht war es ein Geruch. Sie war rundlich, rundbäuchig, mit runden Schultern, runden Hüften, sie lächelte immer, war immer fröhlich. Deshalb mochten sie die Männer. Immer hatte sie etwas Gutes im Topf auf dem Feuer. Sie hatte ein einfaches Gemüt und wurde nie ausfallend. Man hatte ihr so oft über den Schädel geschlagen, daß sie ein wenig bedeppert war. Es war gar nicht nötig, ihr über den Schädel zu schlagen, wenn man sie haben wollte, aber es war nun mal Sitte, und Una machte sich noch nicht mal die Mühe, den Kopf einzuziehen.

Una war pausenlos schwanger und hatte nie den Beginn der Pubertät erlebt, da ihr Vater es mit ihr trieb, seit sie fünf war, und nach ihm ihre Brüder. Ihr erstes Kind wurde geboren, als sie sieben war. Selbst hochschwanger ließ man ihr keine Ruhe, und die Männer warteten ungeduldig die halbe Stunde, die sie so etwa zum Gebären brauchte, um sich dann gleich wieder über sie herzumachen.

Merkwürdigerweise bewirkte sie, daß die Geburtenzahl ihres Stammes etwa gleich blieb, ja die Bevölkerung nahm sogar ab, da die Männer ihre eigenen Frauen vernachlässigten, weil sie nur an Una dachten, und weil sie hin und wieder bei Kämpfen um sie getötet wurden.

Schließlich wurde Una von einer eifersüchtigen Frau getötet, deren Mann sie monatelang nicht berührt hatte. Dieser Mann war der erste verliebte Mann. Er hieß Vipo. Seine Freunde hatten ihn ausgelacht, weil er sich nicht irgendein anderes Weib oder auch sein eigenes griff, wenn Una nicht verfügbar war. Vipo hatte bei den Kämpfen mit seinen Nebenbuhlern ein Auge verloren. Er war ein Mann von mittlerer Größe. Er hatte Una immer die edelsten Stücke Wild gebracht, die er erlegt hatte. Lange und mühevoll arbeitete er an einem Stück Schmuck aus Feuerstein, und so wurde er der erste Künstler seines Stammes, Alle anderen verwendeten Feuerstein nur für Pfeilspitzen oder Messer. Er hatte Una den Schmuckstein geschenkt, damit sie ihn an einem Lederriemen um den Hals hängen konnte.

Als Vipos Frau Una vor Eifersucht erschlagen hatte, erschlug Vipo seine Frau vor Zorn und Haß. Danach sang er ein lautes und tragisches Lied. Er sang und sang wie ein Irrer, während Tränen über seine Wangen liefen. In seinem Stamm überlegte man sich, ob man ihn töten sollte, weil er so anders als alle anderen war, und sie fürchteten sich vor ihm. Vipo kratzte Bilder von Una in den feuchten Sand am Meer, er ritzte Bilder von ihr in die platten Steine der nahegelegenen Berge, Bilder, die man von weither sehen konnte. Er machte eine Statue von Una aus Holz, dann eine aus Stein. Manchmal schlief er damit. Aus den schwerfälligen Lauten seiner Sprache bildete er einen Satz, durch den Una wiederkam, wenn man ihn sprach. Er war nicht der einzige, der diesen Satz lernte und sagte, denn er war nicht der einzige, der Una gekannt hatte.

Vipo wurde von einer eifersüchtigen Frau umgebracht, deren Mann sie monatelang nicht berührt hatte. Ihr Mann hatte eine von Vipos Una-Statuen zu einem hohen Preis gekauft. Der Preis war ein aus vielen Bisonhäuten hergestelltes Stück Leder. Daraus machte Vipo ein großes, wasserdichtes Haus und hatte noch genug übrig, um sich Kleidung davon zu machen. Er erfand noch mehr Sätze über Una. Einige der Männer hatten ihn bewundert, andere hatten ihn gehaßt, und die Frauen hatten ihn samt und sonders gehaßt, denn er hatte sie angesehen, als nähme er sie gar nicht wahr. Viele Männer waren traurig, als Vipo tot war.

Aber im großen ganzen waren die Leute erleichtert, als Vipo fort war. Er war schon absonderlich gewesen, er hatte manchen Schläfer um den Schlaf gebracht.  - Patricia Highsmith, Kleine Geschichten für Weiberfeinde. Eine weibliche Typenlehre in siebzehn Beispielen. Mit siebzehn Zeichnungen von Roland Topor. Zürich 1979 (detebe 20349)

Weib
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