Höflichkeit, chinesische  ›Das fehlte grade noch! Ein Japaner mit Brille‹, dachte Parodi, fast hörbar.

Ohne Strohhut und Schirm zu verlieren, küßte Doktor Shu T'ung, an den modus vivendi der großen Botschaften gewöhnt, dem Häftling der Zelle 273 die Hand.

»Werden Sie erlauben, daß ein fremder Körper diesen vortrefflichen Schemel mißbraucht?« forschte er in perfektem Spanisch und mit der Stimme eines Vogels. »Der Vierfüßler ist aus Holz und wird keine Klage erheben. Mein tadelnswerter Name ist Shu T'ung, und ich übe, zu einmütigem Hohn, das Amt des Kulturattachés der chinesischen Botschaft aus, dieser übelbeleumundeten und gesundheitsschädlichen Höhle. Ich habe mit meiner asymmetrischen Erzählung bereits die beiden feinhörigen Ohren des Doktor Montenegro verstöpselt. Dieser Phönix der kriminalistischen Fahndung ist unfehlbar wie die Schildkröte, aber er ist auch majestätisch und langsam wie eine unter unfruchtbarem Wüstensand wunderbar begrabene Sternwarte. Mit gutem Recht heißt es, um ein Reiskorn festzuhalten, sei es nicht zuviel, mit neun Fingern an jeder Hand begabt zu sein. Ich, der ich nach stillschweigender übereinstimmender Meinung von Haarkünstlern und Hutmachern nur über einen Kopf verfüge, trachte danach, mich mit zwei Köpfen von anerkannter Klugheit zu krönen: dem bedeutenden des Doktor Montenegro - und dem Ihren, der die Sinnesschärfe eines Delphins besitzt. Selbst der Gelbe Kaiser mit all seinen Sälen und Bibliotheken mußte bekennen, daß ein Tümmler, seines Ozeans beraubt, schwerlich zu vorgerückten Jahren und zur Verehrung durch seine Enkel gelangen wird. Ich, weit davon entfernt, ein alter Tümmler zu sein, bin kaum erst ein junger Mann. Was kann ich tun, jetzt, da der Abgrund sich auftut wie eine saftige Auster, mich zu verschlingen? Außerdem handelt es sich nicht allein um meine verderbliche und ungefüge Person; die wunderbare Madame Hsiii nimmt Nacht für Nacht Veronal im Übermaß wegen der nimmermüden Wachsamkeit der Säulen des Gesetzes, die sie zur Verzweiflung bringen, die sie belästigen. Die Sbirren scheinen nicht in Betracht zu ziehen, daß ihr Beschützer umgebracht wurde, unter durchaus nicht beruhigenden Umständen, die sie jetzt als Waise und schutzlos zurücklassen, an der Spitze des Vergnügungssalons Zum Verblüfften Drachen, der seinen gebührlichen Platz Ecke Leandro Alem und Tucumán einnimmt. Aufopfernde und vielseitige Madame Hsin! Während das rechte Auge das Abscheiden des Freundes beweint, muß das linke zur Aufmunterung der Matrosen lachen.

Wehe über Ihr Trommelfell! Erwarten, daß Beredsamkeit und Sachkenntnis aus meinem Munde sprechen, ist dasselbe wie erwarten, daß der Wurm mit der Mäßigung des Dromedars rede oder auch nur mit der Mannigfaltigkeit eines Grillenkäfigs, der aus Pappe gearbeitet und geschmückt ist mit den zwölf Siegeln der Vernunft. Ich bin nicht der wunderbare Meng Tseu, der, um der Schule der Astrologie das Erscheinen des neuen Mondes kundzutun, neunundzwanzig Jahre hintereinander sprach, bis ihn seine Söhne ablösten. Zwecklos, es abzustreiten: Nur wenig Zeit ist für die Gegenwart geblieben; weder bin ich Meng Tseu, noch übertreffen Ihre vielzäh-ligen, hochberühmten Gehörorgane tatsächlich die Zahl der emsigen Ameisen, die die Welt aushöhlen. Ich bin kein Redner; meine Ansprache wird kurz sein, als ob ein Zwerg sie hielte; ich besitze kein fünfsaitiges Instrument: meine Rede wird fehlerhaft sein und eintönig. - H. Bustos Domecq, Sechs Aufgaben für Don Isidro Parodi, nach:  Jorge Luis Borges, Adolfo Bioy Casares: Mord nach Modell. Frankfurt am Main 1993

 

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