ochwald Wir
drangen zu Fuß auf einem der hohen, finsteren Wege weiter voran. Die nächtliche
Stille war vollkommen; graues, aschfarbenes Wasser füllte die Furche zwischen
den überhängenden Steilwänden der Bäume, reglos wie das Wasser in einem Tiefseegraben.
Ziemlich schnell wurden wir schweigsam, dann erfaßte uns langsam ein Gefühl
des Unbehagens; wir hatten uns zu einer langen Wanderung aufgemacht: nach kaum
einer halben Stunde beschlossen wir umzukehren. Während dieser Nacht glaubte
ich, den Ursprung der Angst zu erahnen, wie sie in mondloser Finsternis bei
der Durchquerung großer Wälder auf einem lastet. In der Nacht des Hochwaldes
gibr es keine Stufen, kein allmähliches Fortschreiten von der Abenddämmerung
hin zum Morgengrauen, nichts, was dem abgezählten und lebendigen Perlenkranz
der Stunden eines Tages gliche, sondern nur einen Zustand, der endgültig und
von der Zeit abgelöst zu sein scheint, einen kataleptischen und starren Zustand
des Pflanzlichen. - (
grac
)
Hochwald
(2) Eugen gedachte der Baldaufschen Faschingsbälle,
als Franz und Helene noch 'Schmalzgut' miteinander gewesen waren, wie die Frau
des Schneidermeisters im Bayerischen Wald zu sagen pflegte (hoffentlich kannst
du dort im September wieder sein). Die Luft im Hochwald und die Luft auf einem
Faschingsball paßten nicht zusammen, aber das machte nichts ... Beim Buchtitel-Ball
war einer als Teufel erschienen und hatte sich mit
der ›Heiligen‹ im Büßergewand zusammengetan. Auf
dem Dachboden waren beide in einem Verschlag verschwunden, hatten hinter sich
abgeschlossen, und Helene hatte eine Flasche voll Sprudel durch ein Astloch
zu denen hineingeschüttet. So etwas gehörte dazu wie Schweißgeruch, während
die Luft im Hochwald ... - Hermann Lenz, Seltsamer Abschied. Frankfurt
am Main 1990
|
||
|
||