ingezogensein Es
geht aus der Art selbst hervor, mit der ich diese Schrift führe, daß ich allem,
was Sprache berührt, stets große Bedeutung beigemessen
habe. Bewußt oder unbewußt habe ich einen Pakt mit der Welt der Wörter
geschlossen, die mir schon sehr früh wie ein Buch
offenstand, in dem es von grundlegenden Wahrheiten und verschrobenen Sprüchen
nur so wimmelte. Sucht man nach den frühesten Zeichen für meinen allmählich
sich abzeichnenden Verkehr mit der Literatur, muß man sich mehr als auf die
Liebe zum Lesen, wonach ich mich nie sehr verzehrte, meines Erachtens auf dieses
konfuse Hingezogensein zur Sprache als solcher berufen. Und der gänzlich zerstreute
Bereich, den es in der Sprache gibt und mit dem unser ganzes geistiges Leben
verlötet ist, erklärt, warum dieser Verkehr so lange brauchte, um sich herauszubilden:
während es relativ leicht ist, jene Anlagen dingfest zu machen, die man für
irgendeine festumschriebene Tätigkeit haben kann, wird die Diagnose schwieriger,
wenn es sich um etwas derart Universelles wie die Sprache dreht; wenn man einen
Hang zum Lesen und Schreiben entwickelt, hält man dies in der Regel für die
Berufung zum Schriftsteller; doch wenn man die Sprache in ihrer unermeßlichen,
abrupten Nacktheit vor sich hat, steht die Wette eins zu hundert, daß keine
Berufung weit und breit zu sehen ist. Das war bei mir der Fall, und also wandte
ich mich, blind tastend, schrittweise andere mögliche Tätigkeiten eliminierend
(im ganzen durch eine Folge von Verneinungen) der Literatur zu, noch bevor ich
begriffen hatte (was erst nach langer Zeit und endlosem Hin und Her geschah),
daß ich gar nichts anderes tun konnte. - Michel Leiris, Streichungen.
München 1982 (Die Spielregel Bd. 1, zuerst 1948)
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