Himmelszeichen  
 

Die Menschen stehen vorwärts in den Straßen
Und sehen auf die großen Himmelszeichen,
Wo die Kometen mit den Feuernasen
Um die gezackten Türme drohend schleichen.

Und alle Dächer sind voll Sternedeuter,
Die in den Himmel stecken große Röhren.
Und Zaubrer, wachsend aus den Bodenlöchern,
In Dunkel schräg, die einen Stern beschwören.

Krankheit und Mißwachs durch die Tore kriechen
In schwarzen Tüchern. Und die Betten tragen
Das Wälzen und das Jammern vieler Siechen,
und welche rennen mit den Totenschragen.

Selbstmörder gehen nachts in großen Horden,
Die suchen vor sich ihr verlornes Wesen,
Gebückt in Süd und West, und Ost und Norden,
Den Staub zerfegend mit den Armen-Besen.

Sie sind wie Staub, der hält noch eine Weile,
Die Haare fallen schon auf ihren Wegen,
Sie springen, daß sie sterben, nun in Eile,
Und sind mit totem Haupt im Feld gelegen.

Noch manchmal zappelnd. Und der Felder Tiere
Stehn um sie blind, und stoßen mit dem Horne
In ihren Bauch. Sie strecken alle viere
Begraben unter Salbei und dem Dorne.

Die Meere aber stocken. In den Wogen
Die Schiffe hängen modernd und verdrossen,
Zerstreut, und keine Strömung wird gezogen
Und aller Himmel Höfe sind verschlossen.

Die Bäume wechseln nicht die Zeiten
Und bleiben ewig tot in ihrem Ende
Und über die verfallnen Wege spreiten
Sie hölzern ihre langen Finger-Hände.

Wer stirbt, der setzt sich auf, sich zu erheben,
Und eben hat er noch ein Wort gesprochen.
Auf einmal ist er fort. Wo ist sein Leben?
Und seine Augen sind wie Glas zerbrochen.

Schatten sind viele. Trübe und verborgen.
Und Träume, die an stummen Türen schleifen,
Und der erwacht, bedrückt von andern Morgen,
Muß schweren Schlaf von grauen Lidern streifen.

 - Georg Heym

Himmelszeichen (2)   Auf einer dieser Straßen, im morgendlichen Nebel, über zwei rutschige Pflastersteine geklatscht, liegt ein Fetzen Zeitungspapier, darauf ein Stück Schlagzeile und ein Funkbild von einem riesigen weißen Schwanz am Himmel, der aus einem weißen Schamhaarbusch herunterbaumelt. Die Buchstaben

MBE AU
ROSHI

erscheinen oberhalb, daneben das Signet von irgendeiner Besatzungszeitung, ein grinsendes Glamourgirl, das rittlings auf dem Lauf einer Panzerkanone sitzt, einem stählernen Penis mit aufgeschlitztem Schlangenkopf, und das Emblem der dritten Panzerdivision, Spurkranz und Dreieck, quer über die Titten gestrickt hat. Das weiße Bild ist von der gleichen Kompaktheit, der gleichen Hey-schaut-mich-an-Überheblichkeit wie das christliche Kreuz. Es ist nicht nur eine plötzliche, weiße Genitalattacke auf den Himmel - es ist, vielleicht, auch ein Baum ...

Slothrop hockt auf einem Randstein und betrachtet das Photo, die Buchstaben und das Mädchen, das da auf seinem stählernen Pimmel Hallo-Freunde winkt, während der Nebel allmählich weiß wird vom Morgen und Gestalten mit Karren, Hunden, Fahrrädern in graubraunen Silhouetten, keuchend, einander mit nebelklammen Stimmen grüßend, an ihm vorüberziehen. Er kann sich nicht erinnern, so lange am Straßenrand gesessen und auf das Bild gestarrt zu haben. Aber er hat.

Im Augenblick, da es geschah, erhob sich die bleiche Jungfrau im Osten, Kopf, Schultern und Brüste 17° 36' über ihrer Jungfernhaut am Horizont. Ein paar verurteilte Japaner wußten, daß sie irgendeine westliche Art von Göttin war. Sie lauerte am östlichen Himmel und starrte auf die Stadt hinunter, die geopfert werden sollte. Die Sonne stand im Löwen. Der Feuerball kam brüllend und königlich. - Thomas Pynchon, Die Enden der Parabel. Reinbek bei Hamburg 1981

Himmelszeichen (3)   
 

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