Himmelsreise


 

Himmelsreise eines Schamanen im Altai-Gebiet. (Aus: A. Lommel, Die Welt der frühen Jäger)

 - Nach: Hans-Jürg Braun, Das Jenseits. Die Vorstellungen der Menschheit über das Leben nach dem Tod. Frankfurt am Main 2000 (it 2516, zuerst 1996)

Himmelsreise (2)  »Gestern fuhr ich hinaus, um das Feld fürs Sommergetreide zu pflügen; mein Pferd war schwach, schon früh spannte ich es aus. Da schwankte das Pferd hin und her und brach in zwei Hälften auseinander; das Vorderteil lief nach Hause, das Hinterteil blieb auf dem Felde und wieherte.« Da sagten die Würdenträger: »Der Bauer lügt!« Der Zar jedoch meinte: »Schlau ist der Bauer, bringt alles zustande.«

»Ich trieb das Hinterteil zum Vorderteil heran, nähte sie mit Bast zusammen und keilte sie mit einem Weidenpfahl fest; dann legte ich mich hin, um auszuruhen. Als ich erwachte, war die Weide auf meinem Pferde in die Höhe geschossen, aber nicht bloß etwa so hoch, sondern hinauf bis in den Himmel. Da kam es mir in den Sinn, an der Weide in den Himmel zu klettern.« Die Würdenträger sagten: »Der Bauer lügt! Kann denn ein Baum bis in den Himmel wachsen?« Aber der Herrscher meinte: »Schlau ist der Bauer, bei ihm ist alles möglich.«

»Und Ich stieg hinauf in den Himmel...« »Hast du auch den Herrgott dort gesehen?« fragten gleich die Großen des Reichs. »Jawohl.« »Was macht er denn dort?« »Er spielt mit seinen Jüngern Karten.« Die Würdenträger meinten, daß der Bauer lüge, der Herrscher aber sagte: »Ihr könnt doch mit mir Karten spielen, da kann Gott es auch mit seinen Jüngern tun.« Die Großen jedoch erwiderten: »Das ist nicht wahr: der Herrgott gibt sich damit nicht ab.« Der Zar aber meinte, der Bauer sei schlau, bei ihm sei alles möglich.

»Als ich dort herumging, wurde es Zeit, das Pferd wieder anzuspannen; ich wollte auf die Erde hinuntersteigen, aber die Weide, die auf dem Pferde gewachsen war, war verdorrt und zusammengebrochen, und mein Vesperbrot mußte für die Vorübergehenden liegen bleiben. Ich ging aber im Himmel umher und sah, wie ein reicher Bauer seinen Hafer worfelte. Die Spreu aber flog bis zum Himmel hinauf, ich fing sie und setzte mich hin, um ein Seil zu drehen.« Da sagten die großen Herren: »Was lügt der Bauer: kann man denn aus Spreu Seile drehen?« Der Zar jedoch meinte: »Schlau ist der Bauer, bringt alles zustande.«

»Dann band ich dieses Seil am Himmel fest und ließ mich an ihm hinunter; doch ich kam nur bis auf hundert Werst zur Erde, nicht weiter, denn das Seil war zu kurz. Ich schnitt es aber oben ab und setzte es unten an.« Die Würdenträger riefen: »Lügen tut der Bauer! Wie kann man es oben abschneiden und unten ansetzen? Er wäre ja hinuntergefallen.« Der Zar aber meinte: »Schlau ist der Bauer, bringt alles zustande.«

»Dann kletterte ich weiter, doch der Strick war noch immer zu kurz, aber nicht mehr als um hundert Faden. Da glaubte ich abspringen zu können, war zu faul, das Seil nochmals abzuschneiden, fiel gerade in ein Roggenfeld hinein und stak nun bis zum Hals in der Erde, so daß ich nicht herauskriechen konnte. Da ging ich ins Dorf, holte einen Spaten und grub mich aus.« Die Großen sagten: »Der Bauer lügt!«

wie hat er sich denn freigemacht, wenn er bis zum Halse drinstak? und warum ist er denn ins Dorf nach dem Spaten gegangen? er brauchte ihn doch nicht; lügen tut er!« Der Zar aber meinte: »Schlau ist der Bauer, bringt alles zustande.«

»Dann stieg ich in den Fluß, wusch mich und wanderte in ein weites Tal, wo ein Hirte seine Schafe weidete. Ich sagte zu ihm: >Guten Tag. lieber Schäfer!« Er aber antwortete: ›Bin kein Schäfer, sondern bin des Zaren Vater!‹ Da rief jedoch der Herrscher aus: »Du lügst, guter Freund: mein Vater hat keine Schafe gehütet!« »Wer aber Lügen konnte sagen, Eure Majestät, der darf das Gold  nach Hause tragen.«  - Russische Volksmärchen. Hg. Reinhold Olesch. München  1959 (Diederichs, Märchen der Weltliteratur)

Himmelsreise (3)  Nach den islamischen Überlieferungen wurde Mohammed auf der glänzenden Stute Alburak bis hinauf in den siebenten Himmel getragen, und in jedem Himmel führte er Gespräche mit den Patriarchen und den Engeln, die dort wohnen, und als die Hand des Herrn ihm auf die Schulter schlug, da spürte er eine Kälte, die ihm das Herz gefrieren ließ. Beim Verlassen der Erde hatte der Huf Alburaks einen Krug umgestoßen; als er wiederkehrte von der langen Pilgerfahrt, stellte der Prophet ihn wieder aufrecht, bevor auch nur ein Tropfen verschüttet war.  - Sale, Prolog zum Koran, nach (boc)

Himmelsreise (3) Pécuchets Herz  schwoll vor unendlichem Sehnen, und als es Nacht geworden war, überraschte ihn Bouvard dabei, wie er an seinem Fenster jene leuchtenden Räume betrachtete, die von Geistern bevölkert sind.

Swedenborg hat dort weite Reisen gemacht. Denn in weniger als einem Jahr hat er Venus, Mars, Saturn und dreiundzwanzigmal Jupiter erforscht. Außerdem hat er Jesus Christus in London gesehen, hat Sankt Paulus gesehen, hat Sankt Johannes gesehen, hat Moses gesehen, und im Jahre 1736 hat er sogar das Jüngste Gericht gesehen.

Auch gibt er uns Beschreibungen des Himmels.

Dort findet man Blumen, Paläste, Marktplätze und Kirchen genau wie bei uns.

Die Engel, die einst Menschen waren, legen ihre Gedanken auf Blättern nieder, plaudern von häuslichen Angelegenheiten oder auch geistigen Dingen, und die geistlichen Ämter haben diejenigen inne, die in ihrem irdischen Dasein das Studium der Heiligen Schrift betrieben haben.

Die Hölle dagegen ist mit ekelhaftem Gestank erfüllt, mit armseligen Hütten, mit Haufen von Unflat, schlammigen Tümpeln und schlechtgekleideten Menschen.

Und Pécuchet zermarterte sich den Verstand, um zu begreifen, was in diesen Offenbarungen Schönes enthalten sei. Bouvard kamen sie vor wie die Wahnvorstellungen eines Irren. Das alles geht doch über die Grenzen der Natur hinaus! Aber wer kennt sie?  - (bouv)

Himmelsreise (4)  Zu Magdeburg war zu seiner Zeit ein seltsamer Zauberer, welcher in Gegenwart einer Menge Zuschauer, von denen er ein großes Geld gehoben, ein wunderklemes Rößlein, das im Ring herumtanzte, zeigte und, wenn sich das Spiel dem Ende näherte, klagte, wie er bei der undankbaren Welt so gar nichts Nutzes schaffen könnte, diewell jedermann so karg wäre, daß er sich Betteins kaum erwehren möchte. Deshalb wollte er von ihnen Urlaub nehmen und den allernächsten Weg gen Himmel, ob vielleicht seine Sache daselbst besser würde, fahren. Und als er diese Worte gesprochen, warf er ein Seil in die Höhe, welchem das Rößlein ohne allen Verzug stracks nachfuhre, der Zauberer erwischte es beim Wadel, seine Frau ihn bei den Füßen, die Magd die Frau an den Kleidern, also daß sie alle, als wären sie zusammengeschmiedet, nacheinander ob sich dahinfuhren. Als nun das Volk dastand, das Maul offen hatte und dieser Sache, wie wohl zu gedenken, erstaunt war, kam ohn alle Gefähr ein Bürger daher, welchem, als er fragte, was sie dastünden, geantwortet ward, der Gaukler wäre mit dem Rößlein in die Luft gefahren. Darauf er berichtete, er habe ihn eben zu gegen seiner Herberge gesehen dahergehn.  - (sag)

Himmelsreise (5)  Halb in braune Schatten, halb in bläuliches Licht getaucht, frißt sich der unter uns rollende Globus in den Boden der sternbestickten Nacht - biegt seitwärts in gewaltiger Spirale - jetzt nur noch ein purpurner Stern - jetzt verschwindend im galaktischen Staub.

Die Planeten! Und auch sie nur Staub, in die Nacht gestreute Diamanten - Straßenkehricht, den ein Wind aufwirbelt und verweht.

Und die Sonne beginnt zu wandern, zu kreisen - und ist auch nur ein Stern wie die andern.

Fest, fester und ruhender als irgendein Ding der Welt, Giordano, stehen wir im Raum-, silberner, flimmernder Schimmelbelag überwächst seine gewaltigen Hohlkugelwände.

Da fangen die kosmischen Bilder an, sich zu verzerren, öffnen sich und treten auseinander, beginnen zu kreisen, zu eilen, zu schwirren wie ein liebestoller Schwärm Leuchtkäfer in einer Sommernacht - und werden größer und gewaltiger, kommen über uns - die Hand am Steuer! --

Der Sternensturm ist vorbeigewirbelt, verwirbelt, verrauscht - ein silberner Rauchring, den einer in den Äther geblasen - eine leuchtende Linse die wir in den Raum gerollt - die sich verliert wie ein sinkender Stern.

Das war die Welt, war »das Ungeheuer von Kraft - die feste eherne Größe von Kraft - das zugleich Eine und Viele -das Meer in sich selber stürmender und flutender Kräfte, ewig sich wandelnd, ewig zurücklaufend, mit ungeheuren Jahren der Wiederkehr - mit einer Ebbe und Flut seiner Gestaltungen - umschlossen vom Nichts als seiner Grenze -«und wir hängend im Nichts, jenseits der Grenze jenseits der Welt -. - -

Jenseits der Welt? Und nie wieder in der Welt? - fragte Marga und sah uns leuchtend an; dann trat sie an das Fallreep und verließ sausend als ein Meteorit des Nichts unser Schiff.  - Gustav Sack, Ein verbummelter Student. Stuttgart 1986 (zuerst 1918)

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