Himmelbett

 

- Evangelina Kranioti

Himmelbett (2)

Himmelbett (3)   Ich befand mich am Eingang eines Saales vor einem mit Säulen versehenen Himmelbett, einer Art Leichenwagen ohne Räder: um dieses Bett oder diesen Leichenwagen herum standen etliche Männer und Frauen, offenbar dieselben, mit denen ich die letzte Nacht verbracht hatte. Der große Saal war ohne Zweifel eine Bühne, die Männer und Frauen waren Schauspieler, vielleicht die Regisseure eines so ungewöhnlichen Schauspiels, daß die Erwartung mir Angst einflößte ... Ich selbst stand abseits und damit geschützt in einer Art kahlem und verfallenem Gang, der so zu dem Saal mit dem Bett lag wie die Sessel der Zuschauer zur Bühne. Die bevorstehende Attraktion mußte wohl verwirrend und voller Ausgelassenheit sein: wir warteten auf das Erscheinen eines echten Leichnams. In diesem Augenblick bemerkte ich einen Sarg inmitten des Himmelbetts: der Sargdeckel verschwand geräuschlos gleitend wie ein Bühnenvorhang oder ein Tischkasten, aber was dann kam, war nicht abstoßend. Der Leichnam war ein Etwas von unbestimmter Form, ein rosiges Wachs von strahlender Frische; dieses Wachs erinnerte an die Puppe mit den abgehackten Füßen, die Puppe des blonden Mädchens, nichts konnte verführerischer sein; das entsprach durchaus dem sarkastischen, schweigend-verzückten Geisteszustand der Anwesenden; da wurde ein grausamer und vergnüglicher Streich gespielt, dessen Opfer unbekannt blieb. Bald darauf nahm das rosige, zugleich beunruhigende und verführerische Etwas beachtliche Ausmaße an; es erweckte den Eindruck einer riesigen aus weißem, rosa und gelblich geädertem Marmor gemeißelten Leiche. Den Kopf der Leiche bildete der riesige Schädel einer Stute, den Körper eine Fischgräte oder ein enormer, halb zahnloser, geradegebogener Unterkiefer; die Beine setzten das Rückgrat in derselben Richtung fort wie bei einem Menschen; die Füße fehlten, es waren lange und knotige Stümpfe von Pferdebeinen. Das Ganze, das den Eindruck einer griechischen Marmorstatue machte, war erheiternd und häßlich; auf dem Schädel saß ein Helm, oben ganz spitz wie ein Fliegenschutz aus Stroh auf einem Pferdekopf. Ich selbst wußte nicht mehr, ob ich in der Angst verharren oder lachen sollte, und es wurde mir klar, daß diese Statue, diese Art Leichnam, sobald ich lachen würde, ein bitterer Scherz wäre. Wenn ich jedoch zitterte, würde sie sich auf mich stürzen und mich in Stücke reißen. - (bat)

 

Bett

 

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Hochzeitsnacht
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