Himmel, grauer  Bis eines Tages gegen Ende April ein Vormittag war, grau und warm, die Menschen gingen auf die Erde vor sich hinstarrend, immer auf den Quadratmeter feuchte Erde vor sich, und spürten nicht, daß seitlich die Bäume des Parks, schwarzgezweigt und an verschiedenen Stellen in süßen, schwärenden Wunden platzend, vorüberzogen.

In das schwarze verästelte Netz der Bäume verwickelt, lag der graue, schwüle Himmel den Menschen im Genick, von den Winden aufgetürmt, unförmig schwer und riesig wie ein Federbett.

Die Menschen schleppten sich unter ihm auf Händen und Füßen dahin gleich den Maikäfern in dieser warmen Feuchtigkeit, die mit empfindlichen Fühlern den süßen Lehm berochen. Die Welt lag dumpf, entwickelte sich und wuchs — selig kraftlos — hier in die Höhe, dort nach hinten und in die Tiefe und verströmte. Mitunter hielt sie inne und erinnerte sich nebelhaft an etwas, verzweigte sich in den Bäumen, liebäugelte mit dem dichten funkelnden Netz des Vogelgezwitschers, das diesem grauen Tag übergeworfen war, und ging in die Tiefe, in das unterirdische Geschlängel der Wurzeln, in das blinde Pulsieren der Würmer und Raupen, in die dumpfe Düsternis der Schwarzerde und des Lehms ein.

Und unter dieser unförmigen Wucht hockten die Menschen, betäubt und ohne einen Gedanken im Kopf, hockten da, den Kopf in die Hände gestützt, hingen zusammengekauert auf den Bänken der Parke mit einem Lappen Zeitung auf den Knien, aus denen der Text in die große, graue Unsinnigkeit des Tages rann, hingen plump, noch in der Haltung von gestern da, und sabberten unbewußt.     - Bruno Schulz, Der Frühling. In: B. S., Die Zimtläden und alle anderen Erzählungen. München 1966

 

Himmel Grau

 

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