Dimmel, blauer   Eines Tages gefiel mir die Farbe des Himmels ganz und gar nicht. Er war blau, strahlend blau, viel zu blau. Hartes Sonnenlicht lag auf dem aufgerauhten Landstrich und ließ in weiten Abständen die abgenagten Berggerippe aufleuchten. Keine Wolke trübte das Licht, aber die Bläue erinnerte mehr denn je an ein frischgeschliffenes Messer. Ich fühlte das dunkle Unbehagen, das man vor allen Leistungsprüfungen empfindet. Sogar die Reinheit des Himmels verdroß mich. In schwarzen Sturmwolken zeigt sich der Feind ehrlich, man kann seine Stärke abschätzen, die Breite seines Aufmarsches erkennen und sich auf den Ansturm vorbereiten. Im tiefschwarzen Gewitter kämpft man mit dem Gegner Brust an Brust. Aber bei schönem Wetter und in großer Höhe überraschen die Sturmstöße den Flugzeugführer, und er fühlt unter sich die Leere gähnen. Noch eine andere Beobachtung drängte sich mir auf: in gleicher Höhe mit den Bergen zog etwas dahin, kein Nebel, keine Dämpfe, kein Sandsturm, sondern eine Art Aschenflug. Mir mißfielen diese Feilspäne sehr, die der Wind von der Erde abraspelte und dem Meere zutrug. Ich zog meine Gurte ganz fest, steuerte nur mit einer Hand und hielt mich mit der anderen an einer Strebe des Flugzeuges fest. Und dabei flog ich noch in einer bemerkenswert ruhigen Luft. Endlich zitterte die Maschine in der wohlbekannten Weise, die wirklich schwere Stürme ankündigt: es ist kein Rollen und kein Schwanken; noch schlägt der Wendezeiger nicht weit aus. Der Flug bleibt geradlinig und waagerecht. Und doch hat man in seinen Tragflächen die Botschaft schon aufgefangen: ab und zu ein kaum merklicher Stoß, aber es sind kurze Schläge, wie wenn von Zeit zu Zeit der Luft kleine Mengen Pulver zugemischt wären. Dann aber ging es los, und alles ringsum geriet in Aufruhr.

über die nächsten zwei Minuten kann ich nichts aussagen. In meiner Erinnerung tauchen nur einige Gedankenfetzen auf, Versuche zu geordnetem Denken und bloße Beobachtungen, Ein erschütterndes Geschehen kann ich aus ihnen nicht machen, denn von einem solchen war gar nicht die Rede. Ich kann sie nur in einer gewissen Reihenfolge anordnen. Vor allem eins: ich machte keine Fahrt mehr. Da ich sofort nach rechts abgeschwenkt war, um die plötzliche Abtrift auszugleichen, sah ich die Landschaft immer unbeweglicher zu meinen Füßen, bis sie schließlich still stand. Ich kam nicht vorwärts, meine Flügel fraßen sich nicht mehr in das Geländebild unter mir ein. Die Landschaft schwankte und tanzte, aber alles geschah am Ort. Mein Flugzeug war wie ein ausgeleiertes Zahnrad, das in einem verbrauchten Räderwerk abgleitet und nicht mehr fassen will.

Zugleich kam es mir in ganz widersinniger Weise so vor, als zeigte ich mich dem Feinde ohne Deckung. Alle die Bergrücken und Felsgrate, alle die Bergspitzen, die ihre Kielwasser in den Windstrom zeichneten und seine Wellen mir zusandten, erschienen mir als ebenso viele Geschütze, die alle auf mich gerichtet waren.  - Antoine de Saint-Exupéry, Wind, Sand und Sterne. Düsseldorf 1976 (zuerst 1939)

Himmel, blauer (2)  Der Himmel war blau. Mit einem weißen Kondensstreifen von einem Flugzeug, sonst nichts. Vogelschwärme zogen vorbei. Giuseppe, bei all dem was passiert, gibst du dich mit wenig zufrieden. Warum denn mit wenig, der Himmel ist das Größte was es gibt, man kann ihn nicht einmal messen weil es keine Zahl gibt die ausreicht. Man hat aber vor kurzem eine Zahl entdeckt die größer als unendlich ist. Gut diese gewaltige Zahl weiß aber keiner anzuwenden. Der blaue Himmel ab und zu bleibe ich stehen und betrachte ihn. Meßt ihn nur wenn ihr ihn messen wollt.   - Luigi Malerba, Salto mortale. Frankfurt am Main 1987 (zuerst 1968)
 

Himmel Blau

Oberbegriffe
zurück 

.. im Thesaurus ...

weiter im Text 

Unterbegriffe

VB

 

Synonyme