Hilfe, erste   Es ist eine schwierige Sache, einen Patienten zu verbinden, dem das halbe Gesicht abgeschossen ist; bei dem Versuch, das Blut zu stillen, läuft man Gefahr, ihn zu ersticken. Ich mußte den kleinen Buben Farah auf den Schoß setzen, damit Farah das Köpfchen in der rechten Stellung halten konnte, denn wenn es vornüberfiel, konnte ich den Verband nicht anlegen, und wenn es zurücksank, strömte das Blut hervor und lief ihm in die Gurgel. Schließlich, als er still saß, gelang es mir, ihn zu verbinden. Wir trugen Wamai auf den Tisch und hoben das Licht in die Höhe, um ihn zu betrachten. Er hatte die volle Schrotladung in den Hals und die Brust bekommen; er blutete nicht stark, nur ein dünnes Rinnsal lief aus einem Mundwinkel herunter. Es war seltsam, dies Negerkind, das voller Leben gewesen war wie ein junges Böcklein, nun so still zu sehen.   - (blix2)

Hilfe, erste (2)

 

- Helmut Newton

Hilfe, erste (3) Im Bad untersuchte er seine Verletzungen. Das linke Handgelenk war empfindlich verstaucht, aber nicht gebrochen - ein Haarriß vielleicht, aber mehr sicher nicht. Aber im Gesicht hatte er ein Dutzend Schnitte davongetragen, und auf der Brust noch mehr, wo die Glasscherben sich in seine Haut gegraben hatten. Am schlimmsten war die rechte Augenbraue zugerichtet; sie hing ihm mitsamt der Haut als ein großer Lappen über das Auge herab. Er würde sie wieder annähen und darauf hoffen müssen, daß sie anwuchs. Die übrigen Schnitte in seinem Gesicht waren nicht einfach tief, sondern sie hatten zum Teil das Fleisch seiner Wangen glatt durchbohrt, aber sie brauchten nicht genäht zu werden. Die Schnitte auf seiner Brust klafften hier und da auseinander, aber sie reichten nicht so tief wie die im Gesicht und würden vermutlich in wenigen Tagen verschorft sein. Als Susan zurückkam, befahl er ihr, einen schwarzen Faden in die feinste Nade! in der Packung zu ziehen. Mit kleinen Stichen nähte er sich den Augenbrauenlappen wieder an die Stirn. Susan sah den ersten Stich und übergab sich in der Toilette.

«Das hilft mir nicht besonders», sagte er. «Geh ins Schlafzimmer und leg dich hin.»

Nachdem er den Lappen mit so vielen Stichen, wie er unterbringen konnte, angenäht hatte, betrachtete Freddy sein Werk; es war krumm und schief, und die Braue war in einem merkwürdigen Winkel nach oben gerichtet. Aber besser konnte er es nicht.   - Charles Willeford, Miami Blues. Reinbek bei Hamburg 1994

Hilfe, erste (4)  Basaltsplitter, die sich im Verhältnis zur Kugel mit enormer Geschwindigkeit bewegten, durchbrachen ihren Schutzschild und machten den Luftvorrat zunichte. Die zwei männlichen Exemplare reagierten zu langsam und taten gar nichts. Die junge weibliche Technikerin aus Finnland, Agneta Rautavaara, konnte zwar rechtzeitig ihren Nothelm aufsetzen, aber die Schläuche verhedderten sich; sie aspirierte und starb: ein melancholischer Tod, am eigenen Erbrochenen zu ersticken. Damit endete die Überwachungsaufgabe von EXzoS, ihrer schwebenden Kugel. Nach einem weiteren Monat wären die Techniker abgelöst worden und zur Erde zurückgekehrt.

Wir konnten nicht rechtzeitig hinkommen, um die drei Erdmenschen zu retten, aber wir schickten immerhin einen Roboter los, um nachzusehen, ob sie nach ihrem Tod regenerierbar wären. Die Erdmenschen mögen uns nicht, aber in diesem Fall hatte ihre Überwachungskugel in unserer Nähe operiert. Für das Verhalten bei solchen Notfällen gibt es Regeln, die für alle Rassen der Galaxis verpflichtend sind. Es war nicht unser Wunsch, den Erdmenschen zu helfen, aber wir halten uns an die Regeln.

Die Regeln verlangten, daß wir versuchen sollten, die drei Toten wiederzubeleben, aber wir übertrugen einem Roboter diese Verantwortung, das war vielleicht ein Irrtum unsererseits. Auch sollten wir gemäß den Regeln das nächstlie-gende Erdschiff von dem Unglück unterrichten, doch wir entschieden dagegen. Ich werde weder diese Unterlassung verteidigen noch unsere damaligen Überlegungen erörtern.

Der Roboter signalisierte, daß er in den beiden männlichen Exemplaren keinerlei Hirnfunktion finden könne und daß ihr neutrales Gewebe degeneriert sei. Doch bei Agneta Rautavaara sei ein schwacher Hirnstrom festzustellen. Somit konnte der Roboter im Fall Rautavaara mit einem Wiederbelebungsversuch beginnen. Weil er kein selbständiges Urteil fällen konnte, nahm er mit uns Verbindung auf. Wir gaben ihm den Befehl, den Versuch zu machen. Der Fehler - die Schuld, wenn man so will - liegt demnach bei uns. Wären wir selbst zur Stelle gewesen, hätten wir anders entschieden. Wir nehmen den Fehler auf uns.

Eine Stunde später signalisierte der Roboter, daß er in Rautavaara signifikante Hirnfunktionen wiederhergestellt hatte, indem er ihr Hirn mit sauerstoffreichem Blut aus ihrem toten Körper versorgte. Den Sauerstoff, nicht aber die Nährstoffe, lieferte der Roboter. Wir gaben dem Roboter Instruktionen, mit der Synthese von Nährstoffen zu beginnen, indem er Rautavaaras Körper verarbeitete, ihn als Rohstoff benutzte. Dies war es, wogegen die Erdbehörden später ihre schwerwiegendsten Einwände erhoben. Doch uns stand keine andere Nährstoff quelle zur Verfügung. Da wir selbst ein Plasma sind, konnten wir nicht unsere eigenen Körper zur Verfügung stellen.

Der Einwand, wir hätten die Körper von Rautavaaras toten Kameraden verwenden können, ist bei der Beweisaufnahme nicht gebührend entkräftet worden. Wir waren, kurz gesagt, zum Schluß gekommen, daß die anderen Körper, gemäß dem Bericht des Roboters, zu stark radioaktiv verseucht waren und somit für Rautavaara schädlich gewesen wären; Nährstoffe aus diesen Quellen hätten nach kurzer Zeit ihr Hirn vergiftet. Wenn unsere Logik hier nicht akzeptiert wird, stört uns das nicht; so war die Situation, wie wir sie von unserem fernen Standpunkt aus einschätzten. Deshalb sage ich auch, daß unser eigentlicher Fehler darin lag, daß wir einen Roboter entsandten, statt selbst hinzugehen. Wenn man uns anklagen will, so deswegen.

Wir beauftragten den Roboter, Rautavaaras Hirn anzuzapfen und uns ihre Gedanken zu übermitteln, damit wir den physischen Zustand ihrer Nervenzellen beurteilen konnten.

Der Eindruck, den wir erhielten, war positiv. Dies war der Zeitpunkt, zu dem wir dann die Erdbehörden informierten. Wir berichteten ihnen von dem Unfall, der EX208 zerstört hatte; wir berichteten, daß zwei der Techniker, die männlichen beiden, unwiederbringlich tot waren; wir berichteten, daß wir dank unserem schnellen Handeln erreicht hatten, daß das eine weibliche Exemplar stabile zerebrale Aktivitäten aufwies - mit anderen Worten, daß wir ihr Hirn am Leben erhielten.

»Ihr was?« sagte der Erdmensch am Funkgerät als Antwort auf unsere Meldung.

»Wir versorgen sie mit Nährstoffen, die wir aus ihrem Körper beziehen -«

»Jessas«, sagte der Erdmensch am Funkgerät. »Ihr könnt doch nicht einfach ihr Hirn füttern. Wozu soll das denn gut sein, so ein Hirn für sich allein?«

»Es kann denken.«

»Schon gut; jetzt übernehmen wir die Sache«, sagte der Erdmensch am Funkgerät. »Aber das wird eine Untersuchung nach sich ziehen.«  - Philip K. Dick, Der Fall Rautavaara. Zürich 2000

 

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