erzlosigkeit
Eine Jungfrau, die auf den Strich geht, um ihre alten Eltern
zu ernähren, hat zweifellos Herz. Eine andere, die auf den Strich geht, um einen
feschen jungen Mann auszuhalten, hat unbestreitbar ein gutes Herz. Eine dritte,
die überhaupt nicht auf den Strich geht und einen Armen heiraten will, ist radikal
herzlos. - (
bloy
)
Herzlosigkeit (2)
Die See war dem Menschen niemals freundlich gesinnt, was auch immer
von der Liebe gesagt wird, die gewisse Gemüter (an Land) vorgeben, für sie zu
empfinden, und trotz aller Verherrlichungen, deren Gegenstand sie in Poesie
und Prosa ist. Bestenfalls hat sie einmal mit der menschlichen Ruhelosigkeit
gemeinsame Sache gemacht und die Rolle eines gefährlichen Anstifters ehrgeiziger
weltweiter Pläne gespielt. Noch nie war die See, so wie die gütige Erde, irgendeiner
Menschenrasse treu geblieben. Weder Tapferkeit noch mühselige Arbeit und Selbstaufopferung
haben irgendein Merkmal auf ihr hinterlassen, nie hat sie eine Herrschaft als
endgültig anerkannt und sich der Sache ihrer Gebieter angenommen wie jene Länder,
wo siegreiche Völker Wurzel schlagen, ihre Wiegen schaukeln und ihren Toten
Grabmäler setzen. Gleich ob es der einzelne ist oder ein ganzes Volk - wer sein
Vertrauen auf die Freundschaft der See setzt und die eigene Stärke und Geschicklichkeit
darüber vernachlässigt, der ist ein Narr! Das Meer kennt
kein Mitleid, keine Treue,
kein Gebot, kein Erinnern - als wäre es zu groß, zu allmächtig für gewöhnliche
Tugenden. Seine Unbeständigkeit kann nur durch
unverzagte Entschlossenheit und rastlose, kampfbereite, argwöhnische Wachsamkeit
menschlichen Zielen gefügig gemacht werden, eine Haltung, die vielleicht schon
immer mehr von Haß als von Liebe diktiert war. Odi et amo, so mag das
Bekenntnis derer lauten, die wissentlich oder blind ihr Leben dem Zauber der
See ausgeliefert haben. All die stürmischen Leidenschaften der Jugendzeit des
Menschengeschlechtes, ihre Kriegslüsternheit und Ruhmsucht, ihre Abenteuerlust
und ihre Neigung zu gefahrvollen Unternehmungen sind mit dem großen Reiz des
Unbekannten und den weiten Träumen von Herrschaft und Macht wie Trugbilder dahingegangen,
ohne auch nur eine Spur auf dem geheimnisvollen Antlitz der See zu hinterlassen.
Unergründlich und herzlos hat die See all denen, die um ihre fragwürdige Gunst
warben, nichts von sich selbst gegeben. Keine Geduld und keine noch so große
Mühe vermag sie so wie die Erde zu bezwingen. Trotz der verführerischen Macht
ihres Zaubers, der so viele schon in einen gewaltsamen Tod gelockt hat, ist
ihre Unermeßlichkeit nie so geliebt worden wie die Berge und Ebenen, ja, selbst
die Wüste geliebt wurden. In der Tat glaube ich, daß die Liebe zur See, zu der
sich einige Menschen und ganze Völker so bereitwillig bekennen, daß diese Liebe
ungeachtet aller Beteuerungen und Lobpreisungen gewisser Schriftsteller, die
für kaum etwas anderes in der Welt Sinn haben als den Rhythmus ihrer Verse und
den Tonfall ihrer Sätze, ein Gefühl ist, das sehr vom Stolz und nicht wenig
von einer gewissen Notwendigkeit beeinflußt ist, aber in dem die Liebe zu den
Schiffen - diesen unermüdlichen Dienern unserer Hoffnungen
und unserer Selbstachtung - der beste und lauterste Teil ist. - (
con
)
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