erzklopfen Ich
verbringe ganze Wochen, ohne mit einem menschlichen Wesen ein Wort zu wechseln,
und am Ende der Woche ist es mir unmöglich, mich an einen einzigen Tag oder
irgendein Ereignis zu erinnern. Ich sehe meine Mutter und meine Nichte an den
Sonntagen, das ist alles. Meine einzige Gesellschaft besteht aus einer Bande
von Ratten, die auf dem Dach über meinem Kopf einen höllischen Lärm machen,
wenn das Wasser nicht rauscht und der Wind nicht mehr weht. Die Nächte sind
schwarz wie Tinte, und ein Schweigen umgibt mich,
das dem der Wüste gleicht. Die Empfindsamkeit
steigert sich maßlos in einer solchen Umgebung. Wegen eines Nichts habe ich
Herzklopfen. - (
flb
)
Herzklopfen
(2) Sie hörte, wie ihr Gatte drüben in seinem Zimmer
auf und ab ging und eine lange fachmännische Unterhaltung mit sich selber führte.
Sie drehte ihre Tischlampe an und begann zu lesen. Um zwei Uhr morgens überkam
sie plötzlich und ohne jede Warnung ein Gefühl, daß sie in dieser Nacht sterben
werde. Eingekeilt in ihre Kissen saß sie in ihrem Bett, eine junge Frau mit
bereits gealterten und scharfen Zügen, die ihre Augen rastlos von einer Zimmerecke
zur andern wandern ließ. Sie führte mit ihrem Kopf immerfort die gleiche seltsame
Bewegung aus, indem sie ihr Kinn zuerst nach vorne schob und dann seitwärts
drehte, als ob irgend etwas ihr den Atem würge. Die Totenstille des Zimmers
schien ihr von lästigen Geräuschen erfüllt zu sein. Im Badezimmer tropfte ein
Wasserhahn. Das Pendel der alten Stutzuhr mit den goldenen Schwänen tickte trocken
und eilig. Am meisten aber störte sie das laute Klopfen ihres eigenen Herzens,
das in seiner Bedrängnis in großen Sprüngen davonzulaufen schien und dann plötzlich
so dumpf und schwer pochte, daß ihr ganzer Körper bebte. Langsam und vorsichtig
öffnete sie die Nachttischschublade und nahm ihre angefangene Strickarbeit heraus.
»Ich muß etwas Angenehmes denken«, sagte sie ruhig zu sich selber. - Carson McCullers, Spiegelbild im goldenen Auge. Zürich 1974 (zuerst 1941)
Herzklopfen
(3) Das
Herzklopfen für das Wohl der Menschheit geht darum
in das Toben des verrückten Eigendünkels über, in die Wut des Bewußtseins, gegen
seine Zerstörung sich zu erhalten, und dies dadurch, daß es die Verkehrtheit,
welche es selbst ist, aus sich herauswirft und sie als ein Anderes anzusehen
und auszusprechen sich anstrengt. - Hegel, nach: Jean-Patrick Manchette, Nada. München 2006 (zuerst 1972)
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