erunterholen
Es gehört zu den übelsten Unsitten unserer Soziozentrik, alles,
was man als das Höhere ausgemacht hat, vor allem in Kunstwerken, zu sich
herabzuholen und mit sich selber zu vergleichen.
Auf Kanzeln, Kongressen, Theaterbühnen geschieht es bis zum Überdruss,
der immer gleiche Orpheus aus der Tiefgarage.
Aber auch im Gefühlsleben, in der Begegnung von
Mann und Frau ist sie weit
vorgerückt, diese unerträglich scheele Anmaßung des korrekten Demokraten,
der, was immer er an Höherem erwischen kann, ins Breite und ihm Passende
verziehen muss. Erstes Gesetz dem entgegen: Erkenne, was höher ist als
du selbst. Lerne die Fremdsprache. Meide die Pädo-kata-gogen: die Herunter-Erzieher.
- Botho Strauß, Der Untenstehende auf Zehenspitzen. München
2004. Nach: Der Spiegel 9 / 2004