erumkommen  Ich war gut gekleidet und hatte außerdem ein zwölf- oder vierzehnjähriges Mädchen aus der Nachbarschaft zur Gesellschaft. Meine Wärterin - sei es durch Zufall oder Bestellung - traf mit einem Burschen (wahrscheinlich ihrem Geliebten) zusammen, der sie mit in ein Wirtshaus im, um sie mit Bier und Kuchen zu traktieren. Während sich das Pärchen in dieser Weise im Hause vergnügte, spielte außen das Mädchen mit mir und führte mich, ohne an etwas Böses zu denken; durch den Garten und hinten hinaus ins Feld, wo uns meine Hüterin bald sehen, bald nicht sehen konnte.

Wie es nun so gehen mag - wir begegneten, wie es scheint, einem von den Leuten, die sich ein Geschäft daraus machen, kleine Kinder wegzustehlen. Das war ein teuflisches Gewerbe in jenen Tagen, das zumal an gut gekleideten kleinen Kindern, bisweilen aber auch an größeren, die man in die Plantagen verkaufen konnte, geübt wurde.

Die Frau schien eine große Freude an mir zu haben, nahm mich auf die Arme, küßte mich, spielte mit mir, lockte das Madchen immer weiter vom Hause weg, machte ihr endlich etwas weis und trug ihr auf, in das Haus zurückzukehren und meiner Wärterin zu sagen, wo sie mit dem Kleinen wäre. Eine Dame von Stande habe Neigung zu dem Kinde gefaßt und lasse es auf ihrem Schoße spielen, die Wärterin brauche indes nicht besorgt sein, da die Frau mit dem Knaben unten warte, und so, wahrend das Mädchen dem Auftrag nachkam, machte die Dame von Stande sich mit mir  dem Staube.

Von dieser Zeit wurde ich, wie es scheint, einer Bettlerin übergeben, die zur Betreibung ihres Gewerbes eines ganz kleinen Kindes bedurfte, und danach kam ich an eine Zigeunerin, bei der ich bis zu meinem sechsten Jahre blieb. Obgleich dieses Weib mich in allen Teilen des Landes mit herumschleppte, so ließ sie mich doch nie an etwas Mangel leiden, und ich nannte sie Mutter. Später sagte sie mir, daß sie nicht meine Mutter sei, sondern daß sie mich für zwölf Schillinge von einem anderen Weibe gekauft habe, welche ihr mitgeteilt hatte, wie sie zu mir gekommen und daß ich Bob Singleton hieße - nicht Robert, sondern einfach Bob, denn man schien meine wahren Taufnamen nicht zu kennen.

Es ist umsonst, hier Vermutungen aufzustellen, in welchen Schrecken wohl die nachlässige Dirne, die mich verloren, geraten war, welche Behandlung ihr von dem gerechten Zorn meiner Eltern zuteil wurde und welches Entsetzen diese bei dem Gedanken erfüllte, ihr Kind in dieser Weise entführt zu wissen, denn ich habe, wie bereits erwähnt, nie erfahren, wer meine Eltern waren, und es wäre daher eine nutzlose Abschweifung, wenn ich hier davon reden wollte.

Es begab sich indes, daß meine gute Zigeunermutter - ohne Zweifel um einiger ihrer wackeren Handlungen willen — im Lauf der Zeit gehängt wurde, und da sich dieser Vorfall zu einem Zeitpunkt ereignete, wo ich noch nicht ganz in das Landstreichergewerbe eingeweiht war, so gab naturlich das Kirchspiel, wo ich zurückgeblieben war, an dessen Namen ich mich jedoch ums Leben nicht entsinnen konnte, den nötigsten Unterhalt. Meine frühesten Rückerinnerungen beschränken sich darauf, daß ich in eine Kirchspielschule ging und daß der Geistliche des Ortes mir zu sagen pflegte, ich soll nur ein gutes Kind werden, denn wenn ich auch ein armer Knabe sei, so könne ich doch einmal mein Glück machen, wenn ich meinen Katechismus fleißig lerne und Gott fürchte. - Daniel Defoe, Kapitän Singleton. In: D.D., Romane in zwei Bänden. München 1968 (zuerst 1720)

Herumkommen (2)  Der Tod packt den Alten und geht mit ihm bis zu einer Schlucht oder einem fürchterlichen, finsteren, ausgebrannten Krater; dort hält der Tod an und sprach zu dem Alten: »Da mußt du jetzt hinunter!« Aber der Tod war so stark, daß er leicht allein mit ihm fertig wurde. Der Alte bat wieder um eine Frist und um Schonung, aber der Tod sagte, darauf brauche er jetzt nicht mehr zu hoffen. Da sagte der Alte: »Dann sollst du mir aber zuerst drei Dinge geben, damit ich sie mit hinunter in die Hölle nehmen kann.« Der Tod fragt, was für Dinge das sind. Der Alte antwortet: »Das erste ist ein Sack, der nicht entzweigeht; das zweite ist ein Band, das so stark ist, daß es nicht zerreißen kann; das dritte ist ein tüchtiger Prügel, mit dem man alles schlagen kann.« Der Tod gewährt ihm das und gibt ihm gleich diese drei Dinge; dann stürzt er den Alten in die Schlucht, und wie im Fluge fällt er nun hinunter in die Hölle. Kaum ist er dort angekommen, stürzt sich schon ein Haufen Teufel ohne Zahl auf ihn, und sie wollen gleich anfangen, ihn zu peinigen. Der Alte bittet sie zuerst um eine kleine Unterhaltung. Sie fragen ihn, was das denn sein sollte. Der Alte antwortet: »Ich habe hier einen Sack und wollte euch bitten, einmal alle in diesen Sack zu fahren, damit ich sehen kann, ob ihr euch wirklich so zusammendrängen könnt, daß ihr alle Platz in diesem Sack habt, so viele ihr auch seid. Das wird doch nur eine Kleinigkeit für euch sein!« Die Teufel ließen sich übertölpeln und sausten gleich alle auf einmal in den Sack. Da war der Alte nicht faul und zieht das Band oben fest zu und verknotet es kräftig; dann nimmt er den Prügel und läßt ihn tüchtig auf den Sack niedersausen, soviel seine Kraft hergibt. Da fangen die Teufel mit großem Geheule und Jammern an erbärmlich zu schreien und bitten den Alten, von ihnen abzulassen. Er sagt, damit brauchten sie nicht zu rechnen, wenn sie ihm nicht versprechen, daß sie ihn sogleich wieder gesund und unbeschädigt auf die Insel zurückbringen. Das Teufelsgezücht verspricht es ihm. Danach bindet der Alte den Sack wieder auf und die Teufel freuen sich über ihre Befreiung; sie bringen nun den Alten wieder auf die Insel, und als er dort ankommt, ist der Tod auch gerade wieder unterwegs. Der Alte fragt ihn, wohin er diesmal will. »Hinauf zum Himmel!« sagt der Tod, »aber wie geht das zu, daß du von jener Stätte wieder hierher gekommen bist, von der sonst keiner erlöst wird?« Der Alte sagte: »Die Teufel wollten mich nicht und haben mich wieder herauf in die Menschenwelt gebracht, aber jetzt möchte ich, daß du mich mit dir ins Himmelreich nimmst, wenn dich dein Weg jetzt dort hinaufführt.« - »Dorthin sollst du niemals kommen«, sprach der Tod, und in dem Augenblick nahm er Vogelgestalt an und flog in die Luft empor, aber gerade als er sich erhob, packte der Alte noch seinen Fuß und klammerte sich ganz fest daran. So flogen sie durch die Luft, bis sie an die Pforte des Himmelreichs kamen. Dort ging der Tod hinein, so kam es dem Alten vor, er selber aber stellte sich dicht neben die Himmelspforte, und da sieht er nun Sankt Peter in einem goldenen Stuhl sitzen. Der Alte wirft sich zu seinen Füßen nieder, und weil er ihm einen kleinen Dienst erweisen und ihm etwas Gutes tun wollte, fangt er an, ihn an den Zehen zu kraulen. Das tut er eine ganze Weile, bis ihm dieses Geschäft allmählich langweilig wird. Auf einmal macht er eine rasche Bewegung und beißt den Apostel in die große Zehe. Da zuckt Sankt Peter zusammen und zieht sein Bein so jäh an sich, daß davon der Alte durch die Himmelstür hineingeschleudert wird. Da aber fürchtet er sich und hockt sich hinter der Tür nieder, und man sagt, dort hockt er noch immer.  - Märchen aus Island. Hg. Kurt Schier. Augsburg 1998 (Diederichs, Märchen der Weltliteratur)
 
 

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