erausgehen,
Aus sich
Ich ging auf der abgesperrten Leopoldstraße in Richtung Münchener Freiheit,
wo mir innerhalb der Absperrung zwar freie Bewegung erlaubt war, aber ich konnte
noch nicht so recht aus mir selber heraus. Das änderte sich dann auf der Wiese,
in der Nähe des Forums, als ich anfing, mir selber zu gefallen. Ich half etwas
nach, malte Lidschatten, puderte meine Nase; auch mein Mund bekam mehr von seiner
Farbe. Und endlich gefiel ich mir derart gut, daß ich erregt die Strümpfe glatt
strich, die Bänder höherzog und meine Beine spreizte wie in etwa der Papst seine
Arme. In dieser falschen Positur bildete ich mir ein, meine eingebildeten Brüste
würden mich schmerzen infolge einer scheinbaren Zunahme ihres Gewichtes, da
sie verkehrt gehangen hätten. Aber, indem ich sie gleichsam anhob, konnte ich
mich umso ungezwungener der Freude an meinem runden Gesäß hingeben, in der sicheren
Annahme eines perfekt sitzenden Slips. Über dem Turm der Erlöserkirche, der
aus einem blauen Himmel herunterhing, grünte die Wiese. In Bälde also sollte
ich zusammentreffen mit meinesgleichen, die ihr Glück noch nicht ahnten. Wer
jemals zu einem Fest eingeladen war, das erst viel später, nämlich zu seiner
Zeit, dem spontanen Entschluß der Teilnehmer seine Feier zu verdanken hat, der
muß ein Monster sein, um empfinden zu können, wie ich mich jetzt fühlte.
Die Vorfreude ließ mich strampeln. Aber nicht ungestraft erfreut sich das
Falsche so richtig. Ich saß im Gras. Und allein die Sorge um das Blütenweiß
meiner Unterwäsche verbot mir ein längeres Verweilen in einer Lage, die mich
meine Umgebung in ihrem gewöhnlichen Sachverhalt sehen ließ. Ich erhob mich
als ein Mann, der im Wahn, die schönste Frau auf diesem Terrain zu sein, vorhatte,
in die entsprechende Divergenz zu eilen. - Paul Wühr, Das falsche Buch. Frankfurt am Main
1985
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