ellhörigkeit Es
war nicht leicht, den Schwarzen näherzukommen. Sie waren hellhörig, und wenn
man sie erschreckte, flüchteten sie augenblicklich in ihre eigene Welt zurück
wie die wilden Tiere, die bei einer raschen Bewegung verschwinden und einfach
nicht mehr da sind. Ehe man den Schwarzen genau kennt, gelingt es einem kaum,
von ihm eine gerade Antwort zu bekommen. Auf die direkte Frage, etwa wieviel
Kühe er besitze, gibt er eine ausweichende Antwort: «So viele, wie ich dir gestern
sagte.» Es geht einem Europäer gegen das Gefühl, solch eine Antwort hinzunehmen,
aber wahrscheinlich geht es einem Schwarzen ebenso gegen das Gefühl, so geradezu
gefragt zu werden. Wenn wir drängten oder versuchten, den Leuten eine Erklärung
ihres Benehmens abzupressen, dann zogen sie sich zurück, solange es ging, und
kehrten dann irgendeinen grotesken lustigen Spaß hervor, um uns auf eine falsche
Spur zu lenken. Sogar kleine Kinder bewiesen in einer solchen Lage die Abgefeimtheit
alter Pokerspieler, denen es ganz gleich ist, ob man ihre Karten unterschätzt
oder überschätzt, solange man nur nicht weiß, was sie wirklich in der Hand halten.
Da, wo wir an die Grundlage ihrer Existenz rührten, benahmen sich die Schwarzen
wie Ameisen, in deren Haufen man mit einem Stock hineinsticht: sie besserten
den Schaden mit unermüdlicher Kraft rasch und ruhig aus, als gelte es, eine
Ungeschicklichkeit zu vertuschen. -
(
blix2
)
Hellhörigkeit (2) Bis auf den obligaten Dammriß verlief meine Geburt glatt. Mühelos befreite ich mich aus der von Müttern, Embryonen und Hebammen gleichviel geschätzten Kopflage.
Damit es sogleich gesagt sei: Ich gehörte zu den hellhörigen Säuglingen,
deren geistige Entwicklung schon bei der Geburt
abgeschlossen ist und sich fortan nur noch bestätigen muß. So unbeeinflußbar
ich als Embryo nur auf mich gehört und mich im Fruchtwasser spiegelnd geachtet
hatte, so kritisch lauschte ich den ersten spontanen Äußerungen der Eltern unter
den Glühbirnen. Mein Ohr war hellwach. Wenn es auch klein, geknickt, verklebt
und allenfalls niedlich zu benennen war, bewahrte es dennoch jede jener für
mich fortan so wichtigen, weil als erste Eindrücke gebotenen Parolen. Noch mehr:
was ich mit dem Ohr einfing, bewertete ich sogleich mit winzigstem Hirn und
beschloß, nachdem ich alles Gehörte genug bedacht hatte, dieses und jenes zu
tun, anderes gewiß zu lassen. - Günter Grass, Die Blechtrommel. Frankfurt am Main 1965 (zuerst 1958)
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