Helfertyrann  »Die Helfertyrannei. Es gab welche bei uns, die, statt die anderen zu befehligen, statt sie zu beherrschen, ihnen im Gegensatz halfen, wo sie nur konnten. Das sieht doch wie ein Gegensatz aus, nicht wahr? Doch weit gefehlt! Es lief auf dasselbe hinaus. Es war dieselbe neuartige Tyrannei und dieselbe Art von Verstoß gegen anarchistische Prinzipien.«

»Also, das ist ja... und wieso?«

»Jemandem helfen, lieber Freund, heißt jemanden für unfähig erklären; wenn dieser Jemand gar nicht unfähig ist, läuft das darauf hinaus, ihn entweder un­fähig zu machen oder vorauszusetzen, er sei unfähig; im ersten Fall handelt es sich um Tyrannei, im zweiten um Verachtung. In dem einen wird die Freiheit des an­deren beschnitten, im anderen wird, wenigstens unbe­wußt, davon ausgegangen, der andere sei verachtenswert und unwürdig oder zur Freiheit unfähig.

Kommen wir auf unsere Frage zurück... Sie sehen also, es geht hier um etwas Schwerwiegendes. Es mochte noch angehen, daß wir uns für eine zukünftige Gesellschaft einsetzten, ohne darauf bauen zu können, daß diese uns auch dankbar aufnimmt, oder Gefahr laufend, daß es sie nie gäbe. All das mochte noch angehen. Doch was wirklich zu weit ging, war die Tatsache, daß wir an einer zukünftigen Freiheit arbeiteten, aber praktisch nichts anderes zu Wege brachten als Tyrannei, als eine neuartige Tyrannei, eine Tyrannei, die von uns Unterdrückten auf uns Unterdrückte ausgeübt wurde.   - Fernando Pessoa, Ein anarchistischer Bankier. Berlin 1986 (zuerst 1922)

 

Helfer Tyrann

 

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