eißhunger  Ich besuchte die Doctoresse, die mit einem Hexenschuß darniederlag. Gespräch über den menschlichen Körper, dann über seine Anatomie im besonderen. Sie sagte, daß sie früher auf dem Heimweg vom Seziersaal nach langem Anblick des Menschenfleischs und seiner hochroten Farbe oft von einem jähen Heißhunger ergriffen worden sei.  - Ernst Jünger, Strahlungen. Notat vom 15. Februar 1942

Heißhunger ⁽²⁾  Etwa in der Mitte des Raums studierte Egres Lepereff, der einzige noch aufrecht stehende Teilnehmer der Abendgesellschaft, weiterhin seine Zeitschrift für fortschrittlich denkende Intellektuelle. Nach fünf Minuten blickte er auf und runzelte die Stirn; dann aber fiel sein Blick auf das Büfett, und als er mit leuchtenden Augen ein großes Glas mit Gewürzgurken und eingelegten Zwiebeln erblickte, ging eine Veränderung mit ihm vor. Einige Sekunden lang sah er starr auf das Glas und ging dann, nachdem er sich vergewissert hatte, daß er nicht beobachtet wurde, auf Zehenspitzen und Speichel absondernd zu der Konserve. Mit der erstaunlichsten Gefräßigkeit, die Francis je erlebt hatte, fiel er über das Glas her und stopfte sich das Eingemachte mit beiden Händen in den Mund, so daß ihm kleine Essigrinnsale übers Kinn und auf sein schönes Seidenhemd flossen. Er hörte nicht auf, bis das riesige Glas leer war. Dann beseitigte er den Schaden, den er durch seine seltsame Mahlzeit angerichtet hatte.

Francis trat aus seinem Alkoven. Mit dem Blick einer in die Enge getriebenen Schlange griff Egres Lepereff nach einem Tranchiermesser und hätte Francis damit um ein Haar an die Wand gespießt; dann drehte er sich, fürchterlich knurrend, um und verließ über die lange Treppe fluchtartig den Raum.

Francis fand, er könnte jetzt einen Schluck vertragen, und so nahm er sich eine Flasche mit Bier, das er jedoch wegen seines Pferdemauls aus einem Suppenteller trinken mußte.  - (fran)