eiserkeit  Fast bei allen Lohndirnen ist die Stimme eigenthümlich heiser und tief. Zur Erzeugung dieser Erscheinung vereinigen sich verschiedene Gründe. Einmal schreien und singen, namentlich die Bordelldirnen, fast den ganzen Tag und insbesondere den Abend über. Natürlich entsteht hierdurch zuletzt fortdauernde Heiserkeit als nothwendige Folge.

Zum andern genießen die Lustdirnen viele hitzigen Getränke und setzen sich bei ihrem steten Umgange mit Männern fast fortwährend dem schädlichen Einflüsse dichter Wolken schlechten Tabacks aus.

Zum dritten führen sie alle eine höchst unregelmäßige Lebensart. Sie durchschwärmen und durchtanzen die Nächte und gönnen sich selten einige Erholung.

Zum vierten treiben sich, namentlich die Winkeldirnen, den ganzen Abend über, mag das Wetter gut oder schlecht, kalt oder warm sein, auf der Straße umher; oft sind sie hierbei noch höchst mangelhaft bekleidet. So häuft sich bei ihnen Erkältung auf Erkältung, und namentlich die Stimmorgane sind es, welche zuletzt leiden. Viele Winkeldirnen werden auch in Folge dessen zuletzt ein Opfer der Schwindsucht.

Zum fünften besteht eine eigenthümliche Wechselwirkung zwischen den Nerven des Kehlkopfes und denen der Geschlechtstheile. Es ist bekannt, daß bei den Männern mit dem Eintritt der Mannbarkeit eine Veränderung der Stimme vorgeht und daß der Act der Castration auf die Stimme einen sehr wesentlichen Einfluß ausübt. Es tritt durch übermäßige Ausschweifungen im Geschlechtsgenusse daher auch gar nicht selten eine Affectation des Kehlkopfes und der Stimmorgane überhaupt ein.

Endlich ist bei vielen Lohndirnen die tiefe, heisere Sprache, namentlich wenn sie einen gewissen schnarrenden Ton angenommen hat, eine Folge der Syphilis, indem bekanntlich der Hals ein Lieblingssitz der secundären Venerie ist, und indem hier nicht selten durch Chankergeschwüre eine Zerstörung des Zungenzäpfchens und des Gaumsegels eintritt.  -  Adolf von Schaden, Die Körper der Lustdirnen. Nach: Klaus Bergmann (Hg.): Schwarze Reportagen. Aus dem Leben der untersten Schichten vor 1914. Reinbek b. Hamburg 1984