eimatstadt
ich hänge an dieser Stadt, wie ich hänge an dieser Stadt, warum hänge
ich an dieser Stadt, ist es weil ich da geboren bin, immer da gelebt habe, weil
ich da alle Lichter angezündet habe, weil ich unergründlichen Ratschlüssen gefolgt
bin oder folgen habe müssen, ich hänge an dieser Stadt aber ich liebe sie nicht,
ich bin sie gewohnt, sie ist mir vertraut, ich bin in ihr vertraut, ich vertraue
mich ihr an, ich ruhe in mir wenn ich da bin, ich bin außer mir und verliere
mich selbst wenn ich nicht da bin, ich ruhe in ihr, ich vertraue ihr und ich
vertraue darauf, daß sie mich hält wie sie mich schon immer gehalten hat, also
will ich auch ruhen da, später wenn ich nicht mehr leben kann, darf. Ich lebe
gerne in dieser Stadt, aber ich liebe diese Stadt nicht, sie ist mir meist gleichgültig.
Ich liebe auch nicht ihre Bewohner, aber ich bin sie gewohnt, sie sind mir im
Grunde gleichgültig solange sie mich nur in Frieden lassen, solange sie nicht
über mich herfallen und mich zerfleischen. Manchmal ekelt es mir vor ihnen,
so wie es mir manchmal vor mir selber ekelt, manchmal ekelt es mir vor dieser
Stadt, Nausea, Übelkeit, Brechreiz befallen mich, Hydrant als Zebra!
- Friederike Mayröcker, wienumschlungen,
in:
Magische Blätter II. Frankfurt am Main 1987 (es 1421)
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