Heiligenzehe  »Oft geschah es ihm«, erzählt Daniello Bartoli vom heiligen Franz Xaver, »daß er lebhaft träumte, er lüde sich einen Inder, schwarz wie ein Äthiopier, auf die Schultern und trüge ihn durch einen weiten Raum hindurch in die Ferne und er spürte dessen Gewicht so schwer auf sich lasten und drücken, daß er kaum der Mühe standhielt, diesen weiter zu tragen«; sein Leben in der Mission, von Goa bis zu den Molukken und nach China, enthüllte ihm die »Rätsel« und deutete ihm »den geheimen Sinn« eines barock chiffrierten Geschicks. Jahrhunderte lang soll sein Leib unverwest geblieben sein, obwohl ihm eine Zehe abgenommen war, die ihm ein reliquiensüchtiges Weibchen abtrennte, während es so tat, als wollte es die Zehe küssen; aber es wurde entlarvt durch das reichlich hervorquellende Blut, so rot wie bei einem Lebendigen. Demütig und intolerant lebte er sein Leben mit allen seinen Katastrophen, Stürmen, Schiffbrüchen, Fieberanfällen; und seine gewaltsamen Unternehmungen zehrten an seinem Körper, der zur Unverwesbarkeit bestimmt war, und machten ihn »bleich und hinfällig«. »Er hatte eine geräumige Stirn, eine harmonische Nase, ziemlich blaue Augen, einen schwarzen Bart und dunkelbraunes Haar; und er selbst schrieb dann im letzten Jahr seines Lebens, daß sein Haar nunmehr schneeweiß geworden sei. Er pflegte ohne Umhang zu gehen«, jetzt ist er in Marmor und Gold gekleidet.«  - Giorgio Manganelli, Das indische Experiment. Berlin 2004 (zuerst 1992)
 
 

Heiliger Zehen

 

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