ecke    Eine künstliche Hecke, ungefähr sechzig Zentimeter hoch, sehr grün und ebenfalls aus Plastik, trennte die einzelnen Tischreihen voneinander. Trupps unbekannter Heckenmontagespezialisten hatten sorgsam, immer Stöpsel in Buchse, Tausende kleiner, modularer Grüner-ZweigImitate in fast unendlicher Komplexität zu diesem sonderbar abwechslungsreichen Gesträuch zusammengesteckt. Mit der Zeit gingen darin alle möglichen Sachen verloren, darunter Kippenklemmen, Kippen, Haschischpfeifen, Kleingeld, Autoschlüssel, Ohrringe, Kontaktlinsen, winzige durchsichtige Tütchen mit Coke und Heroin und so weiter. Leben unterhalb von, sagen wir, einem Gramm. Man hatte schon gesehen, dass Gäste, derweil ihr Kaffee kalt wurde, die Hecke stundenlang Zentimeter für Zentimeter abgesucht hatten, besonders wenn sie auf Speed waren. Ab und zu, spät in der Nacht, wurden sie dann von einem der Plastikbilder an der Wand gestört, und Thomas Jeffersons linkes Profil wurde zur Vorderansicht, er löste das Band, das sein Haar zusammenhielt, schüttelte das Ganze zu einer Freakmähne von sattem Rot aus und sprach zu ausgewählten Usern, wobei er normalerweise aus der Unabhängigkeitserklärung oder der Bill of Rights zitierte, was sich schon bei vielen juristischen Einsprüchen, besonders solchen, die sich auf Probleme von Durchsuchung und Beschlagnahme konzentrierten, als sehr hilfreich erwiesen hatte. Heute Abend wartete er, bis Clancy und Tariq beide zur Toilette gegangen waren, wandte sich rasch an Doc und sagte: «So! Der Golden Fang macht also nicht nur in Sklaverei, sondern hökert auch noch mit den Werkzeugen der Befreiung.»

«Hey ... aber macht dir als Gründervater dieses Gerede von schwarzer Apokalypse nicht ein bisschen Horror?»

«Der Baum der Freiheit muss ab und zu mit dem Blut von Patrioten und Tyrannen getränkt werden», erwiderte Jefferson. «Das ist sein natürlicher Dünger.»

«Ja, aber wenn sich rausstellt, dass die Patrioten und die Tyrannen ein und dieselben Leute sind?», fragte Doc. «Wir haben jetzt zum Beispiel einen Präsidenten ...»

«Hauptsache, sie bluten», erklärte Jefferson, «nur darauf kommt es an.»  - Thomas Pynchon, Natürliche Mängel. Reinbek bei Hamburg 2010