austiermode und durch die täuschende Synchronisation von Spiel auf der Straße und Geräusch im Café verändert sich wieder die Welt, durch die wir fallen, die Damen und Herren auf der Straße, die in langsamem Spaziergang oder in eiligem Schritt am Café vorbeigehen, an der Hand eine Leine, die einen Pekinesen, Zwergspitz, Pudel, Schäferhund, Afghan, ein Windspiel, eine Bulldogge führt, müssen ihren Geschmack geändert haben, sie müssen einer unerklärlichen Mode der Haustierliebhaberei zum Opfer gefallen sein, Tierzeitschriften, Händler und das ganze Gewerbe der Haustierhalterei scheinen unerwarteten Einfluß ausgeübt zu haben, zwar haben Damen und Herren, Eilige und Spaziergänger noch eine Leine an der Hand, wie früher, den Platz am Halsband haben jedoch zierliche Vipern, wendige Kletternattern, exotische Korallenschlangen, gefährliche Buschmeister und schwanzwedelnde Schauerklapperschlangen eingenommen, die gezähmt den Damen, passend zu Halstuch, Handtasche und Schuh, den Herren zu Socke, Krawatte und Einstecktuch, auf das leiseste Pfeifen und Zischen gehorchen, und während wir wie im Traum Autos vorbeifahren sehen, die das gedämpfte Klirren von Kaffeelöffeln und aneinanderschlagenden Kuchentellern an unser Ohr wehen, wetteifern korpulente Witwen unter schwarzgelockten Pelzcapes miteinander, wer bereits Ende August eine junge, nicht mehr als zwanzig Zentimeter lange Kreuzotter von diesem Jahr hat, sehen wir gewichtige Herren drei Meter lange, olivgrüne Siposchlangen an der Leine führen und wegen der briefkastengelben Unterseite des Kopfes, der Kehle, des Halses und des Schwanzes ihrer schlan-genhaften Lieblinge bewundert werden, gefleckte Tigerschlangen setzen ihre kleinen, kaum sichtbaren Hinterfußstummel auf das warme Pflaster und lohgelbe oder fahlblaue Brillenschlangen blähen unruhig den Hals, wenn eine entgegenkommende Hausfrau ihre anspruchslose, ängstliche Würfelnatter vorbeiführt.
vor dem Café parken gut aussehende, unverheiratete Männer Mitte Dreißig ihre Sportwagen und halten am breiten, schottisch karierten Band eine halbmeterlange Sandotter, die auf der Nase einen mit Schuppen bedeckten, hornartigen Aufsatz, wie eine kegelförmige Warze hat, weshalb sie auch Hornviper genannt wird, oder haben einer sogenannten stummen Klapperschlange das ziegenlederne Band um den dünnen Hals geschlungen, einer Jararacucu aus der Familie der Gruben- und Lochottern.
Mädchen mit lebhaft wechselndem Verkehr unter hochtoupiertem Haar, hinter roten Lippen, auf hohen Absätzen und schlanken Beinen, gehen geziert in die Knie, so daß der enge Rock noch fester spannt, sich sehenswert hochzieht und nehmen ihre vielfarbige Buntnatter auf den Arm, so daß sie wie ein buntes Tuch in ihrer schwarzen Ellenbeuge liegt, oder lassen sie sich mit dem Schwanzende um das Handgelenk ringeln, so daß sie einen halben Meter herabhängt, wie ihre Vorfahren als bunte, schimmernde Bänder von Ästen der Lianen und Mangroven, Trompetenbäume und Klusien herabgehangen haben mögen.
überall sind nun schon Leute, die ein Schuppenkriechtier aus der Familie
der Schleichen, Vipern, Nattern oder Stummel-füßer mit sich führen; auch Angehörige
niedrigerer Einkommensklassen leisten sich wenigstens eine der einheimischen
Blindschleichen, die sich, oben grau, an den Seiten
rötlich-braun, unten bläulich-schwarz, mit gelben Punkten verziert, in langsamen,
starren Bewegungen, nicht wie andere Schlangen in kurzen Wellenlinien, sondern
in ungelenken Biegungen mit großen Halbmessern durch den staubigen Asphalt neben
ihren nunmehr arrivierten Herrchen und Frauchen herziehen, in den großen Spucknäpfen
in den Ecken des Lokals spielen viele ängstliche aber lebhafte junge Ringelnattern,
die kaum fünfzehn Zentimeter lang sind, zwei Rautenklapperschlangen und eine
Wasserklapperschlange hat man von ihrer Leine losgemacht, so daß sie, hin und
wieder mit steil auf gerichtetem Schwanz erregt klappernd, mit ihren Jungen,
die noch keine Rassel haben, unter Stühlen und Tischen, über Schuhe und Strümpfe
sich winden können, längst haben die kundendienstbeflissenen Besitzer ein großes
Wasserbecken in der Mitte des Lokals aufgestellt, in dem unter großen, flachen
Steinen liegende künstliche Fische die Tiere an die Jagdspiele ihrer Vorfahren
erinnern sollen, allenthalben sind baumartige Plastiken aufgebaut worden, mit
wucherndem, künstlichem Blattwerk, um einstmals kletterfreudige Tiere anzulocken.
zur Ablage schalenloser oder weichschaliger Schlangeneier stehen flache Gefäße
bereit, die auf Wunsch der Gäste brutwarm angeheizt werden können, just ausgebrütete
Eier finden reißenden Absatz, eine drei Meter lange Python hat ihre gänseeigroßen
Eier, die von dicker, lederartiger Haut umgeben sind, kegelförmig aufgebaut,
sich wie ein Schneckenhaus um diesen Berg gelegt,
ihren vom Leib abgesetzten Kopf, den ein großer gabeliger Fleck in Form eines
Ypsilon bedeckt, auf die höchste Stelle gelegt und brütet seit vierundvierzig
Tagen, wobei der Leib sich immer wieder zuckend bewegt, während ihr Besitzer
jede freie Minute an einem Einzeltisch zubringt, den er sich direkt neben sie
hat stellen lassen, um die Geburt etlicher, sechzig Zentimeter langer, daumendicker
Pythons zu erwarten und zu verhindern, daß die Mutter
die wertvollen Jungen nach dem Ausschlüpfen auffrißt.
- Peter O. Chotjewitz, Hommage à Frantek. Nachrichten
für seine Freunde. Reinbek bei Hamburg 1965
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