austier   Sie erschrecken  alle eines Tages, als sie auf dem Boden Stacheln finden, die der Igel verloren hat. Der Vater telefoniert wieder mit dem Tierspital und erfährt, daß auch Igel »haaren«. Das Mädchen führt seinen Schulkameraden vor, wie sich der Igel zusammenrollt, wenn man ihn nur leicht an den Schnurrhaaren berührt, und sie spielen einen Nachmittag lang mit dem Tier Zusammenrollen, weil es jeder einmal ausprobiert. Da dem Igel Zähne gewachsen sind, erhält er im Haferflockenbrei auch Fleischstücke und Brocken von Katzenbiskuits. Doch der Vater hat verboten, Schnecken in die Wohnung zu bringen, auch wenn der Lehrer dies hundertmal empfehle. Aber auch er wird nachdenklich, als der Igel Schaum absondert. Er nagt an einem Pantoffel und streicht sich den weißen Speichel auf den Rücken. Diesmal telefoniert die Mutter mit dem Tierspital, weil sich der Vater nicht noch einmal blamieren will: Es sei normal, daß sich Igel selbst bespeicheln, die Verrenkungen hätten nichts zu bedeuten; alle schauen dem Igel zu und fragen sich, wozu das gut sein soll. Als der Igel eines Tages sich hinter dem Heizkörper versteckt und fast nicht mehr hervorgeholt werden kann, bringt die Großmutter das Heizkissen, das man ihr wegen des Rheumas geschenkt hat. Doch dann kugelt sich der Igel ein, und die Stacheln stehen ihm kreuz und quer ab. Der Vater weiß, das dies der Winterschlaf ist, der bis zum Frühling dauert. Sie streiten, wann Frühling ist, ob wie im Kalender oder erst nach den Eisheiligen. Sie bringen den schlafenden Igel in den Keller. Als die Großmutter an Weihnachten den Ständer für den Christbaum holt, erinnern sich alle an das Tier und beschließen, es in der Ecke des Kinderzimmers weiterschlafen zu lassen, wo sein Schlafhaus hinterm Papierkorb kaum Platz wegnimmt. Eines Nachts fährt das Mädchen aus dem Schlaf auf; es hörte einen Fall. Der Igel war auf einen Stuhl geklettert und hatte sich herunterfallen lassen. Er schnüffelt am Boden, kratzt sich mit den Hinterbeinen und schüttelt sich.   - (loe)

Haustier (2)  Ein großer Hund steht am Highway. Er gerät unter ein Auto, wenn er, vertrauend, weitergeht. Sein friedlicher Ausdruck zeugt davon, daß er sonst besser behütet ist, ein Haustier, dem man nichts Böses zufügt. Aber haben die Söhne der oberen Bourgeoisie, denen man nichts Böses zufügt, einen friedlichen Ausdruck im Gesicht? Sie waren nicht schlechter behütet, als sonst der Hund, der jetzt überfahren wird.  - Max  Horkheimer und Theodor W. Adorno, Dialektik der Aufklärung. Frankfurt am Main 1969 (zuerst 1947)

Haustier (3)  Die Katze gähnte und räkelte sich, und ich gähnte und räkelte mich, und wir schauten uns beide an. Manchmal meinte ich, daß es wohl keinen Mann, keine Frau, kein Kind auf diesem Planeten gäbe, die ich so liebte wie diese Katze. Was die Katze meinte, war natürlich eine andere Sache. Ich mischte mich selten in die persönlichen Affären der Katze ein, und sie mischte sich selten in meine. Keiner von uns beiden war töricht genug, menschliche Emotionen auf unsere Haustiere zu verschwenden. - Kinky Friedman, Greenwich Killing Time. Zürich 1992 (zuerst 1986)

Haustier (4)    Seit geraumer Zeit - genau genommen, seit sie mit Carl Bentley getanzt hatte -, betrachtete sie ihren Ehemann einfach nur als Haustier, ein Tier niederer Gattung, dem man gedankenlos die Gabe der Sprache und die ärgerliche Fähigkeit verliehen hatte, ziemlich scharf und schneidend zu argumentieren. Zu gewissen Zeiten mußte es gefüttert, saubergehalten und gewinnbringend beschäftigt werden. Irgendwie war sie dafür verantwortlich; all das war so furchtbar ermüdend. Gelegentlich fand sie dieses Tier immer noch nützlich, holte aus ihm einen gewissen Betrag an physischer Befriedigung heraus. Das Tier brachte Geld heim und den Ofen in Gang. Manchmal brachte es sie sogar zum Lachen und löste unerwartet zärtliche Gefühle in ihr aus. Aber die Romantik - wo war die Romantik geblieben? Tiefe, wilde, blinde Leidenschaft - was war aus ihr geworden? Hatte die Kinoleinwand dieses kostbare Gut aufgesaugt, so wie Löschpapier Tinte aufsaugt? Und warum brachte es dieses Tier nicht fertig, in ihr dieses köstliche hurenhafte Gefühl zu erregen, das ihren Flirts mit anderen Männern eine derartige Würze verlieh... speziell dem Flirt mit Carl Bentley?  - Thorne Smith, Verkehrte Welt. Frankfurt am Main 1987 (zuerst 1933)

Haustier (5)  Er stieß die Tür auf und verbeugte sich, die Hand auf dem Herzen, mit simulierter Rührung vor Rebecca, seiner hundertvierzig Kilo schweren Gemahlin, über deren krausen und kohlenschwarzen Haaren sich ein Fez mit einer dicken, goldenen Eichel erhob.

Ein Thermometer zwischen ihren dicken, öligen Lippen, thronte sie auf einem zylindrischen Nachttopf, der mitten im Raum stand, und las begierig die Kurse der verschiedenen europäischen Börsen. Der Tradition gemäß, die Eisenbeißer seinen aufeinanderfolgenden Frauen - drei hatte er vor dieser gehabt, und dieser bemerkenswerte Gatte ging oft zu ihren Gräbern, um dort fromm sein Frühstück einzunehmen - auferlegte, war Rebecca nach Türkenart gekleidet: grünseidene Pluderhosen, zartrosa Weste, mit falschen Perlen verzierte Pantoffeln, Zechi-nenhalskette, Türkisringe und -armbänder. (Sie trug nicht all ihren Schmuck: traditionsgemäß ließ sie immer einige Schmuckstücke beiseite, zur Erinnerung an das zerstörte Jerusalem.)

Als sie der geliebten Gegenwart gewahr wurde, nahm sie das Thermometer aus dem Mund, um ihrem geliebten Gatten zuzulächeln, der von neuem grüßte. (Eisenbeißer war von ausgesuchter Höflichkeit zu seiner Frau - außer am Freitag, dem Tag, an dem er ihr vertrauensvoll und kaltblütig den Hintern versohlte, um sie für die Übertretungen zu bestrafen, die sie heimlich begangen haben könnte oder vielleicht später begehen würde.) Den Mund leicht geöffnet, beobachtete sie ihn mit dem erstaunten, neugierigen und leidenschaftlich aufmerksamen Blick eines Haustiers, das der Zubereitung seines Futters folgt. - (eisen)

Haustier (6)

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