-
(
loe
)
Haustier (2) Ein großer Hund
steht am Highway. Er gerät unter ein Auto, wenn er, vertrauend, weitergeht.
Sein friedlicher Ausdruck zeugt davon, daß er sonst besser behütet ist,
ein Haustier, dem man nichts Böses zufügt. Aber haben die Söhne der oberen
Bourgeoisie, denen man nichts Böses zufügt, einen friedlichen Ausdruck
im Gesicht? Sie waren nicht schlechter behütet, als sonst der Hund, der
jetzt überfahren wird. - Max Horkheimer und Theodor W.
Adorno, Dialektik der Aufklärung. Frankfurt am Main 1969 (zuerst 1947)
Haustier (3) Die Katze gähnte
und räkelte sich, und ich gähnte und räkelte mich, und wir schauten uns beide
an. Manchmal meinte ich, daß es wohl keinen Mann, keine Frau, kein Kind auf
diesem Planeten gäbe, die ich so liebte wie diese Katze. Was die Katze
meinte, war natürlich eine andere Sache. Ich mischte mich selten in die persönlichen
Affären der Katze ein, und sie mischte sich selten in meine. Keiner von uns
beiden war töricht genug, menschliche Emotionen auf unsere Haustiere zu verschwenden.
-
Kinky Friedman, Greenwich Killing Time. Zürich 1992 (zuerst 1986)
Haustier (4) Seit geraumer Zeit - genau
genommen, seit sie mit Carl Bentley getanzt hatte -, betrachtete sie ihren Ehemann
einfach nur als Haustier, ein Tier niederer Gattung, dem man gedankenlos die
Gabe der Sprache und die ärgerliche Fähigkeit verliehen hatte, ziemlich scharf
und schneidend zu argumentieren. Zu gewissen Zeiten mußte es gefüttert, saubergehalten
und gewinnbringend beschäftigt werden. Irgendwie war sie dafür verantwortlich;
all das war so furchtbar ermüdend. Gelegentlich fand sie dieses Tier immer noch
nützlich, holte aus ihm einen gewissen Betrag an physischer Befriedigung heraus.
Das Tier brachte Geld heim und den Ofen in Gang. Manchmal brachte es sie sogar
zum Lachen und löste unerwartet zärtliche Gefühle in ihr aus. Aber die Romantik
- wo war die Romantik geblieben? Tiefe, wilde, blinde Leidenschaft - was war
aus ihr geworden? Hatte die Kinoleinwand dieses kostbare
Gut aufgesaugt, so wie Löschpapier Tinte aufsaugt? Und warum brachte es dieses
Tier nicht fertig, in ihr dieses köstliche hurenhafte Gefühl zu erregen, das
ihren Flirts mit anderen Männern eine derartige Würze verlieh... speziell dem
Flirt mit Carl Bentley? - Thorne Smith, Verkehrte Welt. Frankfurt
am Main 1987 (zuerst 1933)
Haustier (5) Er stieß die Tür auf und verbeugte sich, die Hand auf dem Herzen, mit simulierter Rührung vor Rebecca, seiner hundertvierzig Kilo schweren Gemahlin, über deren krausen und kohlenschwarzen Haaren sich ein Fez mit einer dicken, goldenen Eichel erhob.
Ein Thermometer zwischen ihren dicken, öligen Lippen, thronte sie auf einem zylindrischen Nachttopf, der mitten im Raum stand, und las begierig die Kurse der verschiedenen europäischen Börsen. Der Tradition gemäß, die Eisenbeißer seinen aufeinanderfolgenden Frauen - drei hatte er vor dieser gehabt, und dieser bemerkenswerte Gatte ging oft zu ihren Gräbern, um dort fromm sein Frühstück einzunehmen - auferlegte, war Rebecca nach Türkenart gekleidet: grünseidene Pluderhosen, zartrosa Weste, mit falschen Perlen verzierte Pantoffeln, Zechi-nenhalskette, Türkisringe und -armbänder. (Sie trug nicht all ihren Schmuck: traditionsgemäß ließ sie immer einige Schmuckstücke beiseite, zur Erinnerung an das zerstörte Jerusalem.)
Als sie der geliebten Gegenwart gewahr wurde, nahm sie das Thermometer aus
dem Mund, um ihrem geliebten Gatten zuzulächeln, der von neuem grüßte. (Eisenbeißer
war von ausgesuchter Höflichkeit zu seiner Frau - außer am Freitag, dem Tag,
an dem er ihr vertrauensvoll und kaltblütig den Hintern versohlte, um sie für
die Übertretungen zu bestrafen, die sie heimlich begangen haben könnte oder
vielleicht später begehen würde.) Den Mund leicht geöffnet, beobachtete sie
ihn mit dem erstaunten, neugierigen und leidenschaftlich aufmerksamen Blick
eines Haustiers, das der Zubereitung seines Futters folgt. - (
eisen
)
Haustier (6)
|
||