aushaltspflichten
Ihre Arbeit war öde und eintönig — einem verschrobenen alten
Mann beim Waschen zu helfen, ihm zuzusehen, wie er sich beim Rasieren die Haut
zerfetzte, ihm Pflaster ins Gesicht zu kleben, auf allen vieren nach seinem
Gebiß zu suchen, ihm seinen besten schwarzen Anzug zugunsten eines pflegeleichteren
Tweeds auszureden, den Fernseher ein- und auszuschalten, wenn er rief, und »die
üblichen Haushaltspflichten« zu erledigen, zu denen es auch gehörte, unter seinem
kritischen Blick seine Gedichtbände abzustauben, einen Stockgänger einmal am
Tag auszuführen, ihm seine Rechnungen zu zeigen, ihn über die Rechnungen schimpfen
zu hören, einem schnaubenden alten Mann beim Bezahlen seiner Rechnungen zu helfen
und ihn endlich zu beruhigen, wenn es Nacht wurde und die Angst vor dem Sterben
aus dem Kopfkissen kroch. Die Nacht brachte die schlimmsten Augenblicke ihrer
Arbeit. Seit dem allerersten Abend hatte er immer nur dieses eine im Sinn: daß
sie sich zu ihm aufs Bett setzen sollte, oder besser noch, ins Bett. Er sprach
es aus wie einen Befehl, grimmig wie ein General: Es sei ihre Aufgabe, neben
ihm zu sitzen und ihm die Hand zu halten. Sonst könne er nicht schlafen, und
er brauche seinen Schlaf, sonst könne er anderntags nicht denken. Sie tat, als
verstände sie seinen neuenglischen Akzent nicht, schüttelte ihm das Kissen auf
und murmelte beruhigende Nichtigkeiten. Sie konnte beruhigt schlafen, weil sie
wußte, daß er ohne seinen Stock nicht aufstehen konnte, und den hatte sie vorsichtshalber
für die Nacht versteckt. -
Irene Dische, Nannie Jackies Passion. In: I. D., Fromme Lügen. Frankfurt am Main 1989
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