ausdame   Noch ein absonderliches Kapitel aus meinem Dasein. Ich verdanke es meinem neuen Hausmädchen Josephine, die seit Mitte April letzten Jahres bei mir ist. Im Grunde eher eine Hausdame als ein Hausmädchen. Sie hat sich vorher noch nie verdingt. An die zwanzig Jahre hat sie in wilder Ehe gelebt. Bruch zu Beginn des Krieges. Hat daraufhin einen Schuhfabrikationsbetrieb übernommen. Wegen der unglaublichen Verteuerung der Rohstoffe hat sie ihn aufgegeben.   Sehr sauber, pünktlich und beherzt. Was Ordnung, Sauberkeit, Wirtschaft betrifft, ist das Haus durch sie verwandelt worden, kann ich sagen. Eine Frau aus Kleine-Leute-Milieu, überempfindlich, gutgläubig, beschränkt, ungebildet; hat mehr Herz als Verstand, verfällt oft in die albernste Sentimentalität, führt Reden aus Feuilleton-Romanen für kleine Arbeiterinnen im Munde und glaubt obendrein ans Tischrücken und den heiligen Antonius von Padua. Zu ergänzen wäre: 45 Jahre, im kritischen Alter, und das hat - obwohl sie mir in einer Unterhaltung über ihre Liaison erklärt hatte, gewisse Dinge interessierten sie nicht - die Situation herbeigeführt, in der ich mich heute ihr gegenüber befinde.

Während des ersten Monats nichts Anomales. Sehr damit beschäftigt, das Haus auf Hochglanz zu bringen. Danach zeigten sich gewisse Äußerungen. Wenn wir uns zum Beispiel an Abenden, wo Luftalarm war, beide vom Fenster aus das Sperrfeuer ansahen, mußte sie mir immer einen Arm um die Taille legen und sich eng an mich pressen. War auch immer sehr leicht gekleidet, manchmal sogar nur in einen äußerst durchsichtigen Morgenmantel, unter dem ihre Nacktheit zu sehen war. Dann steigerte sich's: sie hat das Bedürfnis, mich bei jeder Äußerung, die ich tue, zu umarmen, wenn wir bei Tisch sind, sich an meinen Hals zu hängen, meinen Kopf an ihre Brust zu drücken und abends, wenn ich in meinem Zimmer bin, ein, zwei Stunden bei mir zu bleiben. Alles Dinge, die mir sehr lästig waren, ja mich heftig aufbrachten, mich, der ich so gern allein bin. Ich hielt an mich, weil ich sie nicht anfahren, ihr keinen Kummer bereiten wollte. In alldem wollte ich nur Freundlichkeiten sehen. Es war etwas mehr.

Vergangenen Sonntag und Montag nämlich begann sie, erst schüchtern, dann deutlicher davon zu sprechen, wir sollten uns doch zusammentun; an unserem schon so vertrauten Verhältnis fehle nur noch eine Kleinigkeit, beide seien wir allein und frei, und wir sollten zu unser beider Glück noch diese Kleinigkeit tun - mir selbst und meinen Tieren käme das zugute, und alles, was sie für sie und für mich tue, werde sie mit noch größerem Vergnügen tun, wenn sie sich wirklich zu Hause fühle. Ich meinerseits hätte größere Ruhe zum Arbeiten, wenn ich wisse, daß meine Tiere versorgt seien, und abends in meinem Arbeitszimmer würde sie mir Gesellschaft leisten, während ich arbeitete, würde bei mir sitzen und nähen oder lesen, ohne ein Wort zu sagen usw. usw. Ein ebenso abscheuliches wie albernes, verrücktes Programm, begleitet zudem von Seufzern, Umarmungen, Küssen, schmachtenden Blicken, Berührungen und sogar - natürlich - von einigen Tränen. Ich mußte sie schon darüber aufklären, daß meine Neigungen genau in die entgegengesetzte Richtung dieses hübschen Programms gingen   - (leau)

 

Dame

 

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