Daus, schrulliges   Das Haus ist eigentlich ein Ganzes aus mehreren Häusern, unter denen auch solche nicht fehlen, die mir auf irgendeine rätselhafte Weise freundlich gesinnt sind.

Der Einfachheit halber werde ich einige der Häuser, die ich bewohne, zu unterscheiden versuchen, wenn auch mein Unterscheidungsvermögen ziemlich ärmlich und unvollkommen ist. Das Haus vervielfältigt sich je nach dem Licht: An manchen hellen Tagen bewohne ich ein verfinstertes, baufälliges Haus voller Moos- und Schimmelgerüche, was mich an eine Klosterbibliothek erinnert, wo seit Jahren die Fenster bei Regen und Wind offenstehen und die großen Folianten aufgeschlagen am Boden vermodern. Die Titel kann ich zwar nicht erkennen, aber der Geruch der Einbände erweckt in mir den Wunsch, es möge so viele Lichter geben, daß ich die Bücher lesen kann, die, was durchaus möglich ist, mit meiner Einsamkeit und mit dem, was ich vorhin Verzweiflung nannte, zu tun haben. Man beachte, selbst wenn das Haus ein Lager verrotteter Bücher ist, habe ich doch nie ein Insekt erblickt, nie die schwarzen Umrisse einer Maus vorbeihuschen sehen; beinahe, als wäre das Haus darauf gegründet, keine andere Form des Lebens zuzulassen als meines, obwohl ich hier nur zögernd von Leben spreche. Kurz gesagt, das Licht, von dem das Haus erleuchtet wird, scheint nicht mit dem Licht zusammenzuhängen, das ich für das Licht der Welt halte, sondern mit einem inneren Licht, einem Licht, das nicht von den Wänden ausstrahlt, sondern das Haus bewohnt; ich habe zwar Licht gesagt, aber es handelt sich zumeist um verschiedene Abstufungen des Dunkels, um Farbnuancen der Finsternis. Auf jeden Fall sind meine Augen, nun schon gewöhnt an die sinnreichen Schrullen des Hauses, immer imstande, mich von einer Tür zur anderen, durch Gänge und Zimmer zu führen.   - Giorgio Manganelli, Kometinnen und andere Abschweifungen. Berlin 1997
 

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