Dandpuppe    Der vom Kasperletheater der Quat'Z'Arts präsentierte Vater Ubu ist 55 Zentimeter groß, bei einer »Spannweite« von 40 Zentimetern. Sein birnenförmiger Kopf ist ein Erkennungsmerkmal der Persönlichkeit, das in keiner ihrer bildlichen Darstellungen fehlt. Er erscheint auf den von Jarry angefertigten I lolzschnitten (so auf dem »Wirklichen Porträt von Monsieur Ubu« und dem »Anderen Porträt von Monsieur Ubu«, die 1896 in der Zeitschrift Livre d'Art und dann in der Originalausgabe des König Uhu veröffentlicht wurden, oder dem »Großen Bild von Monsieur Ubu und den vier fackeltragenden Herolden«, das auf den heraldischen Akt des Cäsar-Antichrist anspielt). Auch auf den Zeichnungen, die Pierre Bonnard für das kleine, 1899 erschienene Almanach du Père Ubu ausgeführt hat, ist ein birnenköpfigcr Vater Ubu zu sehen.

Alle diese Bilder spiegeln die verschiedenen Seiten einer Kreatur, von der ihr Schöpfer ausdrücklich behauptet, sie sei der »schändliche Doppelgänger« des Publikums, »der diesem so bislang nicht vorgeführt wurde« (»Questions de theâtre«, in La Revue blanche, 1.JANUAR 1897). Zuvor hatte Jarry den Vater Ubu in den »Paralipomènes d'Ubu« in jener negativen Weise charakterisiert, die seine Allgemeingültigkeit deutlich herausstellte:  »Er entspricht weder genau Monsieur Thiers noch dem Bürger, noch dem Flegel. Eher wäre er der vollkommene Anarchist unter Berücksichtigung dessen, was uns hindert, je zum vollkommenen Anarchist zu werden: Er ist ein Mensch, daher rühren Feigheit, Schmutz, Häßlichkeit usw. Von Kopf, Herz und Wanst, den drei Seelen, die Platon unterscheidet, befindet sich allein letztere bei ihm nicht im embryonalen Stadium. (La Revue blancbe, 1. DEZEMBER 1896).

Sein fast nicht vorhandenes Kinn verschmilzt beinahe mit den Backen; darüber erhebt sich ein spitz zulaufender Kopf mit einer winzigen, leuchtend rosa gefärbten kahlen Stelle, die von einem gelben Haarkranz wie von einem Heiligenschein umgeben ist. Die ebenfalls gelben, gewölbten Augenbrauen überschatten schräg ansteigende, geschlitzte Augen. Zusammen zeichnen diese einen rechten Winkel in das Gesicht. Gelb ist auch der herabhängende Schnurrbart, der genießerische Lippen umrahmt, während die lange und spitze Nase, deren Flügel großartige Ausmaße haben, im gleichen Rosa wie das, das die Lippen färbt, erstrahlt. So weicht die Physiognomie der Figur kaum oder gar nicht von der in den Paralipomena gegebenen Beschreibung ab: »Beim Vergleich mit einem Tier fällt in erster Linie sein Schweinsgesicht auf, dann eine Nase, die dem Oberkiefer des Krokodils ähnelt, und die Gesamtheit seiner panzerartigcn Umhüllung macht ihn in jeder Hinsicht zum Bruder des ästhetisch abscheulichsten Meeresbewohners, des Molukkenkrebses.« Im vorliegenden Fall ist der Körper nicht von jenem weiten, über dem Wanst mit einer Spirale bestempelten Mantel umgeben. Sein Anzug besteht aus einer korrekten Uniform, einer schwarzen, am Mals geschlossenen Tunika, deren von einer breiten, goldenen Tresse gesäumter Kragen innen mit einem weißen Futter ausgelegt ist, das als Borte übersteht. Die Ärmelränder, Taschenklappen sowie die Verschlußleistc der Tunika sind ebenfalls mit Tressen besetzt, während ein einfaches, schmuckloses, blaues Futteral die Hose bildet.

Diese Darstellung des Vater Ubu, die - militärisch kostümiert -anscheinend in jedem Augenblick bereit ist, in den Ruf: » Es lebe die Scheißarmee!« auszubrechen, scheint - von ihrer Kleidung abgesehen - ihrem zivilen Vorbild recht nahe zu stehen, jenem Lehrer des Lycée de Rennes, den der jugendliche Alfred Jarry porträtierte (»Monsieur Hebert, Prophässor der Phuisik«).   - Michel Leiris, Leidenschaften. Frankfurt am Main 1992 (Fischer-Tb. 10560)

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