Handpresse   Vladimir ging nicht passiv an die Herstellung seiner graphischen Blätter heran, sondern mit gewaltiger Anspannung, mit großem Ritual. Wenn es soweit war, lud er seine Freunde, Kameraden, Interessenten zu dieser Séance ein, die noch nie gesehen hatten, wie so ein graphisches Blatt gedruckt wird. Vladimir arbeitete mit seiner eigenen Handpresse, mit jener unsterblichen Handpresse, die er sich selbst gebaut hatte, die sehr fehlerhaft war, da sie rumpelte, als wäre sie total aus den Fugen. Doch Vladimir wußte, warum er das tat. Die Arbeit an diesem bemerkenswerten Gerät trat Vladimir in der Regel nackt an oder in einer speziellen Badehose, War es kalt, arbeitete er in leichter Bekleidung. Wenn er die Matrizen vorbereitete, wenn er das feuchte Papier einlegte, wenn er die Filzplatte dazugab, rauchte Vladimir meistens oder trank vorher viel, und dann, wenn sein Augenblick kam, dann drehte er mit dem ganzen Körper und mit den festen Händen, mit Hilfe der Knie und unter gewaltiger Anspannung seines fast zwei Meter langen Körpers - nach der Eingebung des Augenblicks oder mit der Überlegung, wem er die werdende Graphik widmen wollte - die Matrize langsam auf die andere Seite der Handpresse und hielt dabei die verhältnismäßig kleine Maschine fest, so daß sie nicht auseinanderfiel, nicht von allein wegrutschte. Nur so konnte Vladimir das Beben seines Körpers auch auf die Matrize und ihren Abdruck übertragen. Wer dieser Séance beiwohnte, glaubte stets, Vladimir übertreibe, er wolle seine Arbeit dramatisieren, sie zum griechisch-römischen Ringkampf, zum Spiel seiner Muskeln machen ... Wer jedoch mit zeitlichem Abstand die graphischen Blätter zum Thema einer einzigen Matrize betrachtet, der wird zu seiner Überraschung feststellen, daß jede dieser Graphiken anders ist, daß sie schöne Aberrationen, Abweichungen, Verschiebungen aufweist, daß Vladimir also, wenn er an der Herstellung seiner graphischen Blätter arbeitete, nicht nur mit dem ganzen Körper, sondern auch mit seinem Geist anwesend war und daß seine Presse dank ihrer Mißlaunigkeit die Fähigkeit hatte, zu gehorchen und alles auszuführen, was durch Vladimirs Körper ging.    - Bohumil Hrabal, Ein Dandy im Schlosseranzug. In: B. H., Leben ohne Smoking. Frankfurt am Main 1993
 
 

Graphiker

 

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