albpart    Wir machten uns auf zu den anderen Stuben. Kein Fenster mehr leuchtete. Mein Herz fing an, im Vorgefühl des Ereignisses, zu hämmern, daß meine Ohren fast taub wurden vor Klirren. Schweiß brach mir aus allen Poren. Ich konnte nicht sprechen. Ich konnte nicht an Haakon denken. Ich konnte mich an Vergangenes nicht erinnern. Es war eine unvergleichliche Gegenwärtigkeit. Es war eine übermächtige Gegenwart, in der ich keinen Willen hatte. Es kam der Augenblick, wo Haakon leise die Tür der einsamen Saeterstube öffnete. Ich sah die roten Augen der Glut unter dem Kessel. Sie machten den Raum so unwirklich und groß, daß ich zu fürchten begann, ich möchte das Kopfende des Bettes verfehlen. Wir schlichen, atemlos, durch die enge Öffnung vom Vorraum in die Stube. Es knackten die Holzdielen unter unsern Füßen. Ehe ich den Willen hatte, ergriff ich mit meinen Händen, am Kopfende des Bettes stehend, die Schultern der Magd. Es gab einen Schrei. Es gab einen Kampf. Meine Fäuste drohten zu erlahmen. Haakon lag, verwühlt in den Decken, über dem Weib. Er kam an das Ziel seiner Wünsche, wie mir schien. Er küßte den vergewaltigten Mund. An dem Schlaffwerden des Widerstandes glaubte ich zu erkennen, trotz der Vergewaltigung gingen die Gefühle der beiden allmählich zusammen. Meine Hände blieben ohne Arbeit. Plötzlich flüsterte Haakon mir zu: »Die Reihe ist jetzt an dir. Halbpart. Du verstehst mich.« Er sprach es so laut,, daß die Magd die Worte aufnehmen konnte. Sie enthob mich der Antwort, die zwischen ja und nein schwankend, mit Tränen gewürzt, pfiffig, wegen der erwachten Lendenkraft, zaghaft, wegen eines blutenden Herzens, sich in ein vorläufiges, müdes Kopfschütteln geflüchtet hatte. Sie schrie: »Du bist nicht Harald Killingmo?« Sie riß sich los. Sie schlug ihn mit der Faust gegen die Stirn. Sie sprang aus dem Bett. Sie verfing sich mit den Füßen in den Decken und strauchelte. Haakon warf sie vollends zu Boden. Er drängte mich zur Tür hinaus. Er faßte den kupfernen Bottich voll heißer Milch, der über dem Feuer stand und goß ihn auf den Boden aus. »Sie soll sich die nackten Füße verbrennen«, schrie er-, »wenn sie uns folgt.«  - Hans Henny Jahnn, Perrudja. Frankfurt am Main 1966 (zuerst 1929)