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schreckhafter Sie befand sich näher, als sie geglaubt hatte.
Doch versetzte die Strömung sie nach Westen, und
schwer rudernd kämpfte sie dagegen an. Dann lösten sich die Keile in der Paddelbindung,
und häufig verlor sie kostbare Zeit, weil sie sie festmachen mußte. Und immer
wieder mußte sie schöpfen. Jede dritte Stunde ging darüber hin. Dabei trug sie
die Strömung ununterbrochen nach Westen.
Bei Sonnenuntergang lag Hikueru drei Meilen entfernt im Südosten. Um acht Uhr sah sie es im Licht des Vollmonds zwei Meilen gegen Osten. Nach einer Stunde weiteren Kampfes war sie nicht näher gekommen. Sie befand sich jetzt in den Krallen der Hauptströmung, die sie in ihrem viel zu schweren Kanu mit dem ungenügenden Ruder nicht meistern konnte. Und außerdem ließen ihre Kräfte mehr und mehr nach. Trotz aller Anstrengungen trieb das Boot nach Westen.
Nach einem an den Haifischgott gehauchten Stoßgebet glitt sie über die Bootsseite
und begann zu schwimmen. Das Wasser belebte sie, und schnell ließ sie das Boot
hinter sich zurück. Nach einer Stunde hatte sie sich dem Land merklich genähert.
Doch dann kam der Schrecken. Keine zwanzig Fuß vor ihren Augen schnitt eine
große Flosse durch das Wasser. Nauri schwamm ohne Zögern darauf zu, und langsam
glitt die Flosse, nach rechts ausscherend, aus ihrer Bahn, um sie zu umkreisen.
Als die Flosse verschwand, legte Nauri das Gesicht auf das Wasser und beobachtete.
Wenn die Flosse wieder auftauchte, schwamm sie weiter. Das Ungeheuer
war träge — das konnte sie sehen. Zweifellos hatte es sich seit dem Orkan reichlich
nähren können. Wäre es sehr hungrig gewesen, hätte es nicht gezögert, auf sie
loszuschießen — das wußte sie. Es war fünfzehn Fuß lang und konnte sie mit einem
Zuschnappen in zwei Hälften teilen. Aber sie durfte keine Zeit an das Ungeheuer
verlieren. Ob sie nun schwamm oder nicht schwamm, die Strömung trug sie ununterbrochen
westwärts. Eine halbe Stunde verging, und jetzt wurde der Hai draufgängerischer.
Da sie ihm nicht gefährlich erschien, umstrich er sie in immer engeren Kreisen
und starrte sie im Vorüber gleiten aus herausfordernden Augen an. Früher oder
später, das wußte sie, würde er genug Mut geschöpft haben, um sie anzugreifen.
Sie entschloß sich, den ersten Schlag zu führen. Was sie plante, war eine Verzweiflungstat.
Eine alte, durch Hunger und Entbehrung geschwächte, allein schwimmende Frau
mußte den Angriff dieses Tigers der See vereiteln, indem sie ihn zuerst angriff.
Auf die Gelegenheit wartend, schwamm sie weiter. Wieder glitt er, kaum acht
Fuß entfernt, träge vorüber. Da hielt sie plötzlich wie zu einem Angriff auf
ihn zu. Wild mit dem Schwanz ausschlagend, entfloh das Ungeheuer, doch nicht
ohne sie mit seiner rauhen Schuppen-haut zu streifen, so daß ihre eigene Haut
vom Ellbogen bis zur Schulter aufgerissen wurde. - Jack London, Das Haus Mapuhis. In:
J. L., Die konzentrischen Tode. Stuttgart 1983 (Die Bibliothek von Babel,
Bd. 14, Hg. Jorge Luis Borges)
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