ahn, alter Obwohl über seine Mandragora- und Opiumsucht allerlei abenteuerliche Gerüchte im Umlauf waren, weist Spinozas Apothekerrechnung dennoch keinen einzigen derartigen Posten auf. Wie kann nun aber ein so mäßiger und nüchterner Mensch im Alter von vierundvierzig Jahren eines natürlichen Todes sterben? Hören wir, was sein Biograf uns darüber zu berichten weiß: »Am Sonntag, den 21. Februar, kam Spinoza vor Beginn des Gottesdienstes die Treppe herab und sprach mit dem Hausbesitzer und seiner Frau.« Daraus geht also zweifellos hervor, dass der Philosoph um diese Zeit - etwa zehn Uhr morgens - noch wohl und munter war. Er scheint jedoch »einen Amsterdamer Arzt konsultiert zu haben, den ich«, sagt sein Biograf, »nur mit den beiden Buchstaben M. L. bezeichnen will«. Dieser M.L. hatte Spinozas Hausgenossen die Weisung erteilt, »einen alten Hahn« zu kaufen und sofort zu kochen, damit der Philosoph zu Mittag einen Teller Fleischbrühe genießen könnte. Das geschah denn auch und nachdem seine Wirtsleute aus der Kirche zurückgekehrt waren, genoss Spinoza mit gutem Appetit auch ein Stück von dem alten Hahn.
Nachmittags blieb M. L. mit Spinoza allein, da die übrigen Hausbewohner wieder
zur Kirche gegangen waren. Bei ihrer Rückkehr erfuhren sie zu ihrer größten
Bestürzung, dass Spinoza gegen drei Uhr nachmittags in Gegenwart des Arztes
verschieden sei. Noch an demselben Abend kehrte M. L. mit dem Nachtboot nach
Amsterdam zurück, ohne sich weiterhin auch nur im Mindesten um den Verstorbenen
zu kümmern.« Auch nach der Begleichung seiner eigenen geringen Forderung fragte
er nicht, wahrscheinlich weil er sich schon selbst in den Besitz eines Dukaten
sowie einer kleinen Menge Silbergeldes und eines Messers mit silbernem Griff
gesetzt hatte und mit seiner Beute das Weite gesucht hatte.« Dass er aus Geldgier
an Spinoza zum Mörder geworden, liegt nach den Umständen klar auf der Hand.
Zweifellos hat er, da man keinerlei Blutspuren fand, den schwachen, gebrechlichen
Philosophen zu Boden geworfen und mit Kissen erstickt, nachdem der arme Mann
sich schon an seiner Höllenmahlzeit halb erwürgt haben musste. Denn man kann
sich ja denken, in welchem Zustand der Erschöpfung der Ärmste sich befunden
haben muss, nachdem er jenen alten, wahrscheinlich aus dem vorigen Jahrhundert
stammenden Hahn zerkaut hatte. - (
quinc
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