Hafen   Am Hafen liegt ein Gebäude, das das Baumhauß genannt wird, mit einer Gallerie oben auf dem Dache, worauf zuverläßig einer der schönsten Prospeckte in Deutschland nach dem einstimmigen Zeugniß aller Reisenden ist. Ich glaube, ein empfindsamer Darmstätter, den man mit verbundnen Augen dahin brächte und sie auf jenem Dache öffnete, würde, wie der Mensch, dem Cheselden den Staar stach, Zuckungen bekommen. Ich kan mich unmöglich in eine Beschreibung dieser Aussicht einlassen. Ich erwähne nur dieses, daß man hunderte von dreymastigen Schiffen, wovon eines allein seinen Mann in Erstaunen setzen kan, auf einmal übersieht. Da liegt das leichte niedliche englische Schif mit dem scharfen Kiel, dem man seine Flüchtigkeit ansieht, neben dem runden und schweren Holländer, der, um mehr Käse laden zu können, lieber etwas schwerer segelt, und dann kommt ein Schif, das vor wenigen Tagen vom Wallfischfang zurück kam, wie eine Kirche plump und schwer, mit geflickten Seegeln, über und über schmutzig, da liegen Spanier und Portugiesen und Russen, und in dem Tauwerck, das in der Ferne einem Gewebe von Spinnen ähnlich sieht, klettern die Menschen wie die Spinnen. Alles lebt und wimmelt, da wird reparirt, gebaut, aus und eingepackt, und alles was wacht ist geschäfftig. Auf einmal sieht man die Seegel von einem solchen Gebäude voll werden und unter einem Freudengeschrey der Matrosen von den benachbarten Schiffen geht es mit einem Zuge, dessen Majestät nichts auf der Erde gleich kommt, den prächtigen Strohm hinunter, um andere Reichthümer zu holen, mit manchem armen Teufel an Bord, der heute seinen lezten vergnügten Tag gehabt hat. Für mich, der das Wasserfahren und Seewesen beynah bis zur Ausschweifung liebt, ist dieses ein Vergnügen, das ich allen vorziehe und das mir Thränen in die Augen bringen kan.  - Lichtenberg an Ernst Gottfried Baldinger, nach (mehr)

Hafen (2) Häfen taugen nichts - Schiffe verrotten, Männer gehen zum Teufel. - Nach (con)

Hafen (3)  Les matelots aiment dans le port à parler de leurs tempêtes, mais y a t'il un port dans ce monde? On fait partout naufrage dans un ruisseau. - Voltaire, nach: Hans Blumenberg, Schiffbruch mit Zuschauer. Frankfurt am Main 1988

Hafen (4) Ein Hafen ist ein entzückender Aufenthalt für eine von den Kämpfen des Lebens ermüdete Seele. Die Weite des Himmels, die bewegliche Bildung der Wolken, die wechselnden Färbungen des Meeres, das Aufblitzen der Leuchttürme, das alles ist ein wunderbar geeignetes Prisma, um die Augen angenehm zu unterhalten, ohne sie jemals zu ermüden. Die schlanken Formen der Schiffe mit ihrem verschlungenen Takelwerk, welche die Dünung sich in gleichmäßigen Bewegungen schaukeln läßt, helfen der Seele das Gefühl für Rhythmus und Schönheit wach zu halten. Und dann, vor allem, gibt es dort eine Art von geheimnisvollem und vornehmem Vergnügen für den, der keine Neugier und keinen Ehrgeiz kennt, wenn er, im schönsten Aussichtsplatz liegend oder auf der Mole gelagert, all die Bewegungen derer betrachtet, die abfahren, und derer, die zurückkehren, derer, die noch die Kraft haben, zu wollen, die Sehnsucht zu reisen oder sich zu bereichern.  - Charles Baudelaire, Der Spleen von Paris. In: C.B., Die Tänzerin Fanfarlo und Der Spleen von Paris. Zürich 1977

Hafen (5)

Hafen

Wasserlinnen werden sich unter dem Schiffsbauch strecken
Ein weißer Zahn zerbeißt sie wellenweise.
Es heulten die Schornsteine, Liebe und Gier
Stieg durch den Kupfer der Kamine.
Barken schmiegten sich in den Wiegen der Mündung
An den Brustwarzen eiserner Mütter;
An den betäubten Ohren der Schiffe
Glänzten die Ohrringe der Anker.

- Wladimir Majakówski, nach: Gustav René Hocke, Manierismus in der Literatur. Sprach-Alchimie und esoterische Kombinationskunst. Reinbek bei Hamburg 1969 (rde 82/83, zuerst 1959)

 

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