Händler, fliegender  Der Mann reiste mit einem Automobil Marke Balilla, hatte seinen Borsalino tief ins Gesicht gezogen, lächelte immer und war nie um ein Wort verlegen. Er schlief im Auto oder in den Scheunen, aß bei seinen Kunden, rechnete den Preis für die Mahlzeit auf die Einkäufe an und nahm statt Geld auch Mehl, Bohnen oder Mais.

Damals gab es auf dem Land noch keine Bars, und so versammelte der Mann abends zum Zeitvertreib eine ganze Pächterfamilie um sich und erzählte Geschichten.

Eines Abends, bevor er in die Scheune schlafen ging, streichelte er ein kleines Mädchen, das ihn mit weit aufgerissenen Augen ansah und das er offensichtlich mit seinen Geschichten sehr beeindruckt hatte. In der Nacht drangen zwei Männer in die Scheune ein und schlugen den fliegenden Händler fast tot, es gelang ihm nur mit Mühe, in sein Auto zu springen und zu flüchten. Dann hörte man nichts mehr von ihm.

Etwa zwanzig Jahre später kam ein Einäugiger in dieselbe Gegend. Er fragte überall herum und sagte schließlich, als er vor einem Gehöft stand, hier hätte er vor zwanzig Jahren sein Auge verloren. Zwei Männer hätten ihn in der Nacht angegriffen, weil er in ihren Augen abartig war, und während er aus der Scheune geflohen sei, hätten sie ihn ins Auge getroffen.

Die Frau auf der Schwelle des Gehöftes, die ihn lange angesehen und seiner Erzählung zugehört hatte, sagte, sie erinnerte sich an alles. Sie war das kleine Mädchen, das der Mann an jenem Abend gestreichelt hatte, sie erinnerte sich an seine Geschichten und an die Abende, an denen sie um den Küchentisch gesessen hatten. Sie hatte einen Pächter geheiratet, der sehr viel älter war als sie und der sie etliche Jahre lang geschlagen und mißhandelt hatte und schließlich an einem Bluthusten erstickt war. Wahrscheinlich war es derselbe Pächter, der auch den fliegenden Händler mit einer Schaufel geschlagen hatte, so daß er das Auge verlor.

Während sie miteinander redeten, verheimlichte die Frau keineswegs, daß sie ihren verstorbenen Ehemann wegen seiner Brutalität immer noch haßte und daß sie dem unglückseligen ehemaligen fliegenden Händler zugetan war. Sie hatte ihm in ihrer Küche etwas zu trinken angeboten und redete gern mit ihm.

In dieser Gegend, so sagte sie, würde ein Mann nie ein kleines Mädchen streicheln; denn die Männer müssen immer hart erscheinen und alle finster anblicken, damit sie nicht von den anderen Männern auf frischer Tat ertappt werden.

Bevor der Einäugige wieder wegging, gestand er, schon unter der Tür, der Frau, daß er soeben aus dem Gefängnis kam, wo er achtzehn Jahre verblieben war. Er hatte ein kleines Mädchen erwürgt.   - (gcel)

 

Händler

 

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