Dände, körperlose    Das Tor des Palastes war verschlossen, und rings herum war eine hohe Mauer aufgerichtet, die so hoch war, daß sie bis in den Himmel ragte. »Ach, ich sterbe vor Hunger«, schrie er in die Einsamkeit hinein. Aber niemand hörte ihn. Als er an dem Tor emporblickte, da sah er zu seinem großen Erstaunen eine Fleischkeule hängen und dachte bei sich: »Ich hole mir die Keule, ich bin hungrig, seit einem Monat habe ich nichts gegessen.« Jene Fleischkeule aber war in Wirklichkeit gar kein Fleisch, sondern bestand aus kostbaren Steinen und war einer Keule nachgebildet. So gut er es vermochte, versuchte der junge Held die Mauer emporzuklimmen. Als er nach langen Mühen endlich oben war, blieb er mit dem Fuße an dem vermeintlichen Fleische hangen und konnte nicht wieder los. Doch nachdem er sich von dem Schreck wieder ein wenig erholt hatte, hörte er eine Glocke läuten, und vor lauter Furcht ließ er sich hinunterfallen. In dem Augenblick, als er unten ankam, öffnete sich das Tor, aber er sah niemanden. Er erblickte nur eine Hand, die das Tor geöffnet hatte. Er trat in den Hof ein und dachte bei sich: »Ich will es wagen, was auch immer mich treffen mag!« Doch soviel er sich umschaute, er sah keine einzige Menschenseele. Er ging in den Palast hinein und guckte in ein Zimmer, doch er sah nichts weiter als einen einzigen Tisch, einen Leuchter und ein Bett. »Da trete ich ein«, sagte er, »da will ich mich ausruhen, denn ich bin vom Regen ganz durchnäßt.« Als er nun in das Zimmer getreten war und sich ein wenig auf die Bettstatt setzen wollte, da erschienen plötzlich zehn Hände, die nach dem jungen Helden griffen, ihn fürchterlich zurichteten und ihm die Kleider vom Leibe rissen. Er wußte nicht, woher die Hände kamen, er sah ja niemanden; er sah immer nur Hände. In seiner Not schrie er: »O Gott, wer ist das nur, der mich so sehr schlägt?« Und siehe da, die Hände ließen ab von ihm, als er splitternackt war und keinen Fetzen seiner Kleidung mehr am Leibe hatte. Wie er sich so betrachtete, stand plötzlich eine Portion Essen vor ihm, und Kleider lagen für ihn zum Umkleiden bereit. Er stürzte sich sofort über das Essen, denn er hatte großen Hunger, und aß gierig, bis er völlig satt war. Nun hatte er wieder guten Mut und vergaß die Schläge, die er bekommen hatte. Am zweiten Tage trat er in eine andere Kammer, er wollte doch ein zweites Mal den Hieben, die er wieder zu bekommen fürchtete, entrinnen. Doch auch hier erging es ihm wie am Vortage. Wieder waren die Hände da und rissen ihm die Kleider vom Leibe. Wieder reichte man ihm Essen, und wieder erhielt er neue Kleider. Am dritten Tage gab die Kaiserin einer ihrer vielen Katzen Befehl, daß man den jungen Helden in den großen Prunksaal führen solle, der über und über mit Gold verziert war. Alles, was darin war, bestand aus purem Golde. Wieder kamen die zehn Hände. Diesmal brachten sie ein Gewand von reinstem Golde. Sie legten es dem jungen Helden an und führten ihn in den Prunksaal. Als er in den Saal trat, sah er weiter nichts als hundert Katzen, die wunderbar sangen und musizierten. Der junge Held wurde auf einen Thron von reinstem Golde gesetzt. Als er bei sich dachte: »Jetzt weiß ich wirklich nicht, wer die Herrin hier ist«, da fand er sich vor einem wunderhübschen kleinen Kätzchen, das in einem goldenen Korbe lag. Der Kaiserin der Katzen gefiel der junge Held, und gegen Mitternacht, als das große Fest bald vorüber war, erhob sich die Katze aus dem Korbe und sagte: »Von heute ab bin ich nicht mehr eure Herrin. Dieser ist euer Herr.« Da kamen alle Katzen gelaufen und küßten ihm die Hand und riefen: »Du sollst leben, unser Herr!«    - (zig)

Hände, körperlose (2)

Hand Körperlosigkeit

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