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Hörst du mich, Sabine. Sehr entfernt, sagte Sabine. Das ist es ja,
sagte er. Andererseits, sagte er, wirke sich auf ihn die Vorstellung
aus, daß Sabine und er allein im Haus seien in dieser Nacht. Und in
Kalifornien sind wir auch. Gibt es zwei Menschen, die einen weiteren Weg
zueinander haben als du, Sabine, und ich, wenn es darum geht, ein
Treffen zu inszenieren, das ich so unbeschwert wie möglich GV nenne? Es
kann mißlingen, Sabine. Es ist jedesmal riskant wie beim ersten Mal.
Eine genau dosierte Komik wäre nötig. Aber ein Hauch zuviel, und alles
ist verdorben. Gute Nacht, Sabine, sagte er. Und weil sie nichts sagte,
machte er weiter. Er leitete die offenbar ihm auferlegte Inszenierung
damit ein, daß er die Operetten-Pantöffelchen von Sabines Bettseite
holte und sie durchaus formvoll vor die Tür trug und dort auf den Boden
stellte. Dann sagte er, jetzt traue er sich in ihre Nähe. Als er in
ihrer Nähe war, fragte er sie, ob sie sich wohl in das wüste Geflüster
ziehen lassen könne, das dazugehöre. Dank des gegen die Wand donnernden
und scheppernden Siegestors aus Messingblech gehe glücklicherweise alles
Sprachliche sowieso unter in einem witzigen Lärm. So etwas sollte man
einmal in einem Hotelzimmer haben, dann lägen die in den Zimmern links
und rechts auch so eingeschüchtert wie er damals in dem Hotel in Grado.
Seit jener Nacht war er nicht mehr naiv, sozusagen. Seitdem beherrschte
ihn die Vorstellung, daß man bei einem GV, der nicht der Fortpflanzung
diene, nichts anderes sei als der Hamster auf der Rolle. Man wurde
bewegt, weil man etwas tun sollte, woran der Natur lag. Aber damit man's
auch wirklich tut, ist alles so eingerichtet, daß es abläuft, als tue
man's nicht in irgendeinem Auftrag, sondern weil man's selber wolle.
Nichts wolle man so sehr wie das. Nichts tue man lieber als das. Und man
ist doch nur der Funktionär des Programms. Halm kam sich hereingelegt
vor. Und dann noch diese Verquickung mit Liebe! ...geschluckter Köder,
gelegt nur, den Geköderten verrückt zu machen. Wodurch unterscheidet
sich, bitte, die Wichtigtuerei beim GV von der beim Schützenfest? Man
schießt auf Scheiben und tut, als seien's Bären. Aber wo denn nicht?!
Ach, Sabine, erleichtern wir uns, was uns nicht erlassen wird. Von
diesem Pseudodienst bis zum sogenannten letzten Atemzug. Wenn es schon
sein muß, dann mit dir. - Martin Walser, Brandung. Frankfurt am Main 1987
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