Guillotine   Heute soll die Maschine in Gebrauch genommen werden, die erfunden wurde, um den zum Tode verurteilten Verbrechern den Kopf abzuschlagen. Die Enthauptung mittels dieser Maschine wird gegenüber den bisherigen Hinrichtungsarten mehrere Vorteile aufweisen: der Anblick wird weniger schockierend sein, denn keines Menschen Hände werden mehr mit dem Blute seines Nächsten befleckt; und der Verurteilte wird nur noch die Marter der Todesangst ertragen müssen, die schlimmer sein wird als der Schlag selbst, durch den er aus dem Leben scheidet. - Revolutionsregierung, ca. 1790

Guillotine (2)  Am Tag seiner Hinrichtung hatte Maximilien Robespierre einen gebrochenen Kiefer der von einem Verband gehalten wurde. Kurz bevor er seinen Kopf unter das Fallbeil legte, riss der Henker den Verband ab; Robespierre stieß einen Schmerzensschrei aus, Blut spritzte aus seiner Wunde, die zerschlagenen Zähne fielen zu Boden. Dann schwenkte der Henker den Verband wie eine Trophäe, um sie der Menge zu zeigen, die sich um das Schafott drängte.

Die Leute lachten und riefen spöttische Bemerkungen.  -  Michel Houellebecq, Ausweitung der Kampfzone. Berlin 1999, zuerst 1996

Guillotine (3) Der Astronom Bailly, der sich eine vom Unkraut entvölkerte Erde geträumt hatte, auf der nur nützliche Pflanzen gedeihen sollten, wurde im November 1793 in Paris guillotiniert. - (para)

Guillotine (4) Maury war leidend und lag in seinem Zimmer zu Bett; seine Mütter saß neben ihm. Er träumte nun von der Schreckensherrschaft zur Zeit der Revolution, machte greuliche Mordszenen mit und wurde dann endlich selbst vor den Gerichtshof zitiert. Dort sah er Robespierre, Marat, Fouquier-Tinville und alle die traurigen Helden jener gräßlichen Epoche, stand ihnen Rede, wurde nach allerlei Zwischenfällen, die sich in seiner Erinnerung nicht fixierten, verurteilt und dann, von einer unübersehbaren Menge begleitet, auf den Richtplatz geführt. Er steigt aufs Schafott, der Scharfrichter bindet ihn aufs Brett; es kippt um; das Messer der Guillotine fällt herab; er fühlt, wie sein Haupt vom Rumpf getrennt wird, wacht in der entsetzlichsten Angst auf - und findet, daß der Bettaufsatz herabgefallen war und seine Halswirbel, wirklich ähnlich wie das Messer der Guillotine, getroffen hatte.  - (freud)

Guillotine (5)  Ein eleganter Zuhälter namens Linda de Castillon war es, glaube ich, der gegen Ende des letzten Jahrhunderts die Kurtisane Marie Aguettant umbrachte. Soweit ich weiß, handelte es sich nicht um ein sadistisches Verbrechen à la Jack the Ripper (obwohl er ihr, wie mir scheint, die Kehle durchschnitt und sie nicht etwa nach der sauberen Methode einfach strangulierte), nicht um eine Verzweiflungstat aus blindwütiger Leidenschaft, sondern, in der wohligen Wärme eines gut frequentierten Dirnenboudoirs, um einen Überfall, der ganz banal durch den Wunsch motiviert war, sich den Schmuck oder die anderen Reichtümer des Opfers anzueignen, und dieser ganz und gar unromantische und sozusagen funktionale Mord brachte seinen Urheber auf die Guillotine.

Zog der Henker an einer kleinen Schnur wie jemand, der eine altmodische Wasserspülung bedient oder eine Kanone abfeuert, oder drückte er auf einen modernen Knopf, als er ganz in Schwarz - vielleicht in Gehrock und Melone, wenn nicht gar mit Zylinder, wie diese zeremonielle Kopfbedeckung lange hieß - das Fallbeil auf den entblößten Hals des Verurteilten hinabschnellen ließ, den ich mir vorstelle mit rabenschwarzem Haar und einem aufgezwirbelten Schnurrbart auf seinem wie bei einem Zigeuner oder einem Bramarbas leicht bläulich schimmernden Gesicht, diesen Übeltäter, der - wie man sich vorstellen kann - in seiner kurzen, aber zweifellos wechselvollen Laufbahn, die ihn zu ihrem beiderseitigen Unglück zu Marie Aguettant geführt hatte, durch sein prahlerisches Auftreten und die Geschmeidigkeit seines Ganges, der eher katzenhaft als schaukelnd war wie jene berühmte Walzerart (die später zu datieren ist, da sie ja nicht weiter als bis zum Beginn dieses Jahrhunderts zurückreicht), so manche Frau verführt hatte.

Als Linda de Castillon oder der, der sich dafür ausgab, seine Strafe dafür empfing, daß er ein Freudenmädchen so behandelt hatte, als verheiße ihr Beruf ebenso sehr den Tod wie die Liebe, wurde die Todesstrafe noch öffentlich vollstreckt und übte, wie es scheint, auf die Lebewelt einen nicht minderen Reiz aus als auf das lichtscheue Gesindel. Der Gedanke ist also nicht abwegig, daß mehrere Schönen der Nacht, die er in den siebten Himmel hatte aufsteigen lassen, seinen Kopf mit geschorenem Nacken in den Kleiekorb hinabfallen sahen. - (leiris2)

Guillotine (6)  Schlank, fast elegant steht die Guillotine da, hoch in der Luft zwischen den beiden Längsbalken schwebt das dreieckige Messer. Das Holz ist rötlich gestrichen, es ist gutes Holz, die Nägel und Beschläge sind aus Kupfer, damit sie nicht rosten. Das Ganze ist ein Präzisionsinstrument, fein durchdacht und fein ausgeführt. Sie ist von einem Elsässer namens Tobias Schmidt erbaut, der eigentlich Klavierbauer ist, aber nun alle Hände voll mit seiner neuen Spezialität zu tun hat. Er versteht sich auf die feine Holzarbeit, die sich in der Feuchtigkeit nicht ziehen und im Gebrauch nicht lockern darf, und verdient ein kleines Vermögen dabei, das er aber in wenigen Jahren mit einer hübschen Tänzerin verschleudern wird. - Friedrich Sieburg, Robespierre. München 1965 (zuerst 1935)

Guillotine (7)  


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